Der erste Druschtag. Ganz unverhofft schlittern wir mitten in die Gerstenernte hinein. So früh, das hätte keiner gedacht. Aber es ist gut. Jeder Tag muß genutzt werden. Abends fallen die ersten Regentropfen. Wir dreschen weiter und tatsächlich bleibt die tiefschwarze Gewitterwand hinter den Bergen, bis das Feld geschafft ist. So spannend schon am ersten Tag? Normalerweise geht es zu Beginn eher ruhiger zu.
Für die Nacht sind reichlich Niederschläge angesagt. Als wir morgens die Fenster öffnen, ist alles triefend naß und riecht nach saftigem Grün. Kein Wetter für Ernteaktivitäten jedweder Art. Alles richtig gemacht! Zeit? Ja! Ein paar wichtige Arbeiten müssen noch erledigt werden. Doch dann ist es soweit. Wenn das Wetter Mist ist, kannst du los, sagt meine Frau. Auch für die nächsten Tage sind teils heftige Schauer angesagt. Meine Option für Verlängerung.
Packen ist mir immer wieder eine Freude. Das Hochgefühl, auf Reisen zu gehen wird noch mehr angeheizt. Dieses Mal bekommt die „Queen of Africa“ ihre Satteltaschen geschnürt. Küche (so heißt der oranjefarbene Packsack, in dem Kocher, Tippel und Besteck verschwinden), Bad (der rote Packsack mit Handtuch, Dr. Bronner Lavendel und abgesägter Zahnbürste im Inneren) Tarp, Isomatte, Schlafsack, Mückenspray, ein paar Kreuzer in die Tasche, die digitale Landkarte. Fertig. Los!
Anja wünscht mir eine gute Zeit und lässt mich ziehen. Sie weiß, was mir fehlt…
Tanken, Gas und ab auf die Bahn gen Erfurt. Ein guter Freund hat Geburtstag. Kurzer Zwischenstopp in einem Einkaufsladen mit erlesener Auswahl an geistigen Getränken zum Auffüllen der Reserven.

Der warme Wind um die Nase tut so gut. Ganz anders, als mit den alten Damen aber auch faszinierend. Fast 26 Jahre alt, aber souverän wie am ersten Tag zieht die Honda Africa Twin 750 ihre Linie gen Sonnenuntergang. Sie ist, lange verdrängt und doch zufällig wieder entdeckt, mein heimlicher Teenagermotorradtraum, den ich nie für möglich gehalten hätte, einmal selbst zu besitzen.
Die Kilometer purzeln, schon sind wir da. Ein schöner Abend bei guten Freunden, die schon zur Familie gehören, angeregte Gespräche, geprägt von gegenseitigem Interesse und Zugewandtheit. Das ist es, was mir in diesen Zeiten oft fehlt. Beschlossen wird der Tag mit „einem“ Glas Whisky. Danach wartet ein weiches Bett.
Gut ausgeschlafen, gefüttert und gewässert verabschiede ich mich. Es ist ja Wochentag und normale Menschen müssen da arbeiten. Wie fast immer verpasse ich die richtige Abbiegung und komme in den Genuß, nochmal die Stadtmitte Erfurts bewundern zu können.

Auf dem Rückweg möchte ich noch bei einem neuen Bekannten zum Kaffee vorbeischauen. Kaffee UND Quatschen. Denn es gibt gegenseitig viel zu erzählen. Er ist passionierter AWO – Schrauber und legt gerne auch lange Strecken mit dem Alteisen zurück. Der Erfolg gibt ihm Recht. Bis nach Kalmückien am Kaspischen Meer hat es ihn und sein einzigartiges Gespann schon verschlagen. Somit ist er für mich der am weitesten in den Osten vorgedrungene AWO – Fahrer. Die Gespräche befeuern natürlich mein Fernweh und die Fantasie, wenn man mal groß ist, so was auch gerne zu erleben.
Ruckizucki sind 2h verquatscht, doch der Abschied will nicht so schnell gelingen. Noch ganz in Gedanken fahre ich mit leicht erhöhtem Tempo in eine stationäre Radarfalle. Katsching! Naja… Kurz drauf will noch ein übermotorisierter Kombi zeigen, daß 400 PS doch auch cool sind (das Schild mit der Aufschrift „Wettbewerb“ hatte ich wohl übersehen 😉 ). Die Stelle für den Überholvorgang ist in einer Kurve recht unkonventionell gewählt, dennoch zum Zwecke des Auffallens gut geeignet. Meine Aufmerksamkeit hat er jedenfalls. Ich mache rechts Platz… rechts des Seitenstreifens…
Die nächste Tankstelle sorgt für Sättigung bei Pferd und Reiter. Ein nettes Telefonat mit zu Hause bringt Gewissheit über das weitere Vorgehen. Kein Erntewetter weit und breit in Sicht heißt, weiterhin gutes Motorradwetter.
Zwei andere AWO – treiber bereisen bereits seit über 2 Wochen Deutschland, Dänemark und Schweden. Jetzt sind sie auf dem Weg ins Lausitzer Seenland. Kurz vor Riesa fange ich sie ab und fortan geht es zu dritt den Rest des Weges. Sie sind schwer bepackt. Es ist eine Freude hinterher zu fahren. Der Senftenberger See empfängt uns mit gutem Wetter. Wir stecken noch in unseren Regensachen und sehen vielleicht ein bisschen derangiert aus. Alle haben dreckige Hände vom Alteisen oder wie ich vom Abrieb des alten Gummis der Griffe. Zünftig halt. Als uns aber zur Begrüßung ein: “ Aber nicht, dass es Beschwerden wegen Ruhestörung gibt! “ empfängt, sind wir erstmal perplex. Ääääh…. nein? Die Dame hat vielleicht schon schlechte Erfahrungen mit „Typen wie uns“ gemacht. Wir bekommen einen schönen Stellplatz unter den Kiefern zugeteilt. 3 Plätze um genau zu sein. Riesig groß für unsere Verhältnisse. Flux sind Zelte und Tarp aufgeschlagen. Ich probiere noch etwas hin und her, wie man die Plane am besten über das Motorrad ziehen kann, damit auch dieses nicht im Regen stehen muss.

Es folgen die Inspektion der Sanitärgebäude, ein kurzer Strandgang und die Wahl der Lokalität. Wir kommen beim Asiaten zum sitzen. Eine gute Wahl wie sich herausstellt, denn gebackene Ente, Huhn, Bratreis und Nudeln geben keinerlei Anlass zur Kritik. „Sättigend und lecker“, ist die einhellige Meinung. Anschließend geht es zum gemütlichen Teil. Sitzen und erzählen. Ein guter Glenmorangie wird ausgeschenkt, Geschichten und Erfahrungen ausgetauscht. Spät geht der angenehme Abend zu Ende. Einmal umfallen und ich komme mit dem Kopf unter dem V2 liegend zur Ruhe. Kaum Mücken, ein kühlendes Lüftchen. Gute Nacht.

In der Nacht sind hier ein paar Tropfen Regen gefallen. Der Morgen grüßt mit Sonnenschein. Zu Hause dagegen hat es zwar nicht das angesagte Unwetter, wohl aber eine Menge Regen gegeben. Das Zeitfenster geht auf, zieht mich rein und schnappt wieder zu. Ein Tag mehr Motorradfreiheit? Danke gern! Wir trinken noch ein, zwei Käffchen zusammen, das Motorrad wird währenddessen nach und nach gepackt. Danke ihr beiden für die schöne Zeit zusammen! Leise tuckere ich vom Platz. Und jetzt?
Ferne Welt ich komme 🙂 !
Ein polnischer Bekannter hat mir mal vom Trans Euro Trail erzählt. Das ist ein europaweites Netz von, sagen wir mal Strecken abseits der großen Straßen, so oft es geht auch unbefestigt. http://www.transeurotrail.org . Polen ist gut ausgestattet mit derlei Strecken und so fällt die Entscheidung pro offroad. Selten gemacht bisher. Ich bin gespannt.
Nach einer Frühstücksbockwurst mit Kakao in Spremberg überquere ich in Forst die Grenze. In Źagan nimmt uns (die Queen und mich) der Trail würdig in Empfang. Die erste Pfütze der ersten „Straße“ ist nen halben Meter tief. Fetzt! Man weiß nie, sind Löcher in der Straße, oder Straßenreste um die Löcher. Meist hilft ausweichen nichts. Nur Mut und durch! Bald gehen die Löcher in Waldweg, bald in Schotterpiste über. Ein kurzer Durchstich durch ein Wäldchen. Einspuriger Trampelpfad. Eisenbahnschotter. Entlang rostiger Gleise über eine altehrwürdige Backsteinbrücke, welche die Oder überspannt.



Im Auenwald entlang des Bóbr steht die Luft. Der sandige Boden bietet dem Seitenständer kaum Widerstand, aber für ein schnelles Foto reicht es. Aus dem wilden Grün um mich herum steigen Scharen von Schmetterlingen auf. Manche davon hab ich noch nie gesehen. Keine Chance, das auf Zelloloid zu bändigen. Dann lieber den Moment genießen und im Kopf aufbewahren. Voller Schmetterlinge im Kopf finde ich meinen Weg weiter, durch Felder, Wiesen und Neubaugebiete mit halbfertigen Einfamilienhäuschen. Die Maurer halten kurz inne, schauen wer da aus der Wildnis auftaucht. Ein freundliches Winken wird lächelnd erwidert.
Ein paar Mal abbiegen und der betonierte Weg wird breiter und breiter. Ein Rollbahn. Kein Gegenverkehr, keine Hindernisse. Ich gebe Gas. Neben mir am Rand ein Mädel beim Autofahren üben. Der Freund / Fahrlehrer steht am Rand. Auch sie gibt Gas. Beide gleichauf winken wir uns zu. Jetzt Flügel dran und abheben…
Doch schon macht der Verlauf eine Biegung und es geht zwischen klein gesägten und schadhaften Windkraftwerksrotorblättern hindurch und an ehemaligen Militärhangars vorbei. Nach der Durchfahrt eines Portals mit polnischer Beschilderung winkt mich ein Mann zu sich. „Betriebsgelände!“ Ich entschuldige mich und frage nach. „Ja Ja, der TET ist mal hier durch gegangen. Jetzt ist das alles hier privat. Dahinter ist Übungsgelände. Ich möchte nicht die Verantwortung für einen erschossenen Enduristen übernehmen. Er erklärt freundlich, wie ich am besten weiter, wieder auf den Weg komme. Djęnkuję bardzo.


Es folgen ein paar Kilometer Asphalt, verschlafene Dörflein mit Kopfsteinpflaster und schon geht es wieder in den Wald hinein. Sand! Nasser Sand , trockener Sand, mal tiefgründig, mal festgefahren. So oft habe ich die schwere Maschine auch noch nicht in unbefestigtem Gelände bewegt. Sie zeigt sich gutmütigt, das Drehmoment des Motors hilft dabei, schwierige Stellen besser zu meistern. Nur umkippen wäre jetzt doof. Zack! Schon liege ich bei Schrittgeschwindigkeit im Sand. Jetzt gilt es 230 Kilo wieder aufzurichten. In solchen Momenten sehnt man sich eine Maschine mit auffallend weniger Gewicht an seine Seite. Sei’s drum. Der Schweiß rinnt.
So arbeite ich mich auf dem Trail gen Süden vor. Es ist wirklich abwechslungsreich und man sieht Gegenden, die einem sonst verborgen bleiben. Mehrfach überqueren wir den schönen Bóbr mit seinen ausgedehnten Ufern , Sand- und Kiesbänken, Schilfgürteln und toten Armen. Ein Paradies für Tiere und Pflanzen. Menschen sind in angemessener Zahl und Verhalten bedingt willkommen.



Meine Annahme, es muss in der Gegend recht ausgiebig geregnet haben, bewahrheitet sich nicht nur am Wasserstand in den Pfützen. Auch die toten Arme des Bóbr sind gut gefüllt. Einen davon gilt es tatsächlich zu durchqueren. Im klaren Wasser sieht man Betonelemente lose und ungleichmäßig ausgelegt. Die Tiefe kann ich nur schwer schätzen. „Wird schon nicht sooo…!“ Doooch wird es! Hätte nicht gedacht, dass ich in diesem Leben mal froh sein würde, dass der Luftfilter an der höchsten Stelle des Tanks sitzt. Einen knappen Meter tief ist diese Furt heute doch. Mit Bugwelle voran , nicht zu langsam, nicht zu schnell durchwaten wir dieses kleine Abenteuer. Geschafft! Die halbe Karre ist gebadet. Ich inklusive.

Kurz hinter dieser Stelle kommt mir ein koreanischer Kleinbus mit Oberallgäuer Nummernschild entgegen. Ob er dort auch durch will? Noch unter einer Eisenbahnbrücke hindurch und die Natur übergibt mich wieder einer Dorfstraße. Bolesławiec ist die nächste größere Stadt, die wir durchqueren. Auch Bunzlau genannt ist die Stadt über die Landesgrenzen hinaus bekannt und berühmt für ihre tollen Keramikkünstler und – manufakturen.
Für uns gibt’s hier Super 95, einen Hotdog und einen Smoothie. Ich soll unterwegs nicht immer soviel Redbull trinken. Stimmt. Mache ich. Ist auch viel leckerer.

Über das Tankstellendach zieht eine Wolke und lässt ein paar Tropfen Regen fallen. Bald jedoch klart es endgültig auf und die Sonne behält die Oberhand, bis die Nacht hereinbricht.
Weiter. Rakowice Małe. Sandige Wege führen zu einem Baggersee denke ich erst, aber ein Blick auf die Karte zeigt, hier fließt der Bóbr hindurch. Herrlicher Sandstrand läd den geneigten Enduristen zum Picknick mit Abkühlung ein. Die Sonne knallt. Ein Schwarm Fische huscht in den Schatten einer Weide, als ich mich ins Wasser traue. Das tut gut. 100 m weiter stehen zwei Wohnwagen. Deren Insassen lümmeln braungebrannt in ihren Campingstühlen. Als ich gerade wieder trockene Schlüppis angezogen hab und die nassen an den Spiegel hänge, kommt ein Audi an den Strand gefahren. Musik laut. Die Freundin geht baden. Er am Handy. 3 min. später sind meine Klamotten trocken, die Musik wird nervig. Schnell noch ein bisschen die Salzkruste vom Nicki abgewischt und wieder los. Danke für diesen erfrischenden Zwischenstopp. Wir kämpfen uns durch die Sanddünen und ein ums andere Mal wünsche ich mir das grobe Profil der AWO – Bereifung her. Irgendwann wird der Weg fest und die Fahrt wieder entspannt.


Der gpx – track ist wirklich Gold wert. Ohne diese Navigationshilfe wären diese Strecken wirklich kaum zu finden. Nicht selten traut man sich kaum, die Einfahrten zu nehmen. Doch der Mut wird mit jeder Menge Aus- und Einblicken belohnt. So auch der nächste Abschnitt. Der sehr ausgewaschene Wiesenweg zwischen Getreidefeldern mahnt eigentlich zu vorausschauendem Fahren. Doch nicht zu vorausschauend! Am Horizont zeichnen sich die Umrisse des Riesengebirges ab. Da bleibt der Blick schon mal verliebt hängen. Meine Gedanken kreisen um die Schneekoppe, die in der Ferne vor mir prangt. Und wieder lieg ich da. Wieder ist der Spiegel verbogen, sonst aber nichts passiert. Hoch hiefen, weiter! Selten trifft man Leute auf den Wegen. Mal eine Hundeläuferin, mal ein Bauer mit dem Trekker. Ich grüße immer freundlich und werde auch gegrüßt. Ein Abschnitt führt von superglattem Asphalt ohne Übergang direkt in die tiefsten Schlaglöcher mit Sand , Schotter und Geröll, um nach 200m, ebenfalls ohne Ankündigung wieder zu eben jenem glatten Asphaltweg zu werden, der er vorher war. Häää! Paralleldimension a la Sergej Lukjanienkos Wächter Epos?
Der nächste Weg führt erst über Betonplatten, dann über einzelne wahllos verteilte Steinareale um schlußendlich in ein grünes Tunnel mit lehmig – feuchtem Untergrund zu münden. Man hat die Wahl, von links oder von rechts ausgepeitscht zu werden, so tief hängen die Äste der Sträucher und Bäume über. Der mittige Deichselrein ist auch keine Alternative. Viel zu schmal und rutschig. Auch hier bleibt der obligatorische Umfaller nicht aus. An den Pfützen laben sich hunderte Schmetterlinge aller Coleur und stieben auf, als ich vorbei fahre.



Bei Kamienna zweigt eine holprige Straße zu einem alten Staudamm ab. Laut Karte führt der Weg über die Staumauer hinweg. An dieser Stelle ein kleiner Hinweis der Vorsicht. Auch mitdenken und nicht blind der roten Linie folgen. … was ich in dem Fall tue. Die Straße führt geschwungen ins Tal, die rote Linie aber scheint einem Waldweg zu folgen. Ich demnach auch. Unvermittelt wird der Waldweg zu einem 30cm breiten, steilen Fußweg mit Serpentinen, der eher für eine Beta Alp samt geübtem Fahrer, als für mich und meine „Dicke“ ist. Ehe ich reagieren kann, bin ich unangenehm straff talwärts unterwegs. Jetzt keine falsche Bewegung! Der Adrenalinspiegel signalisiert äußerste Anspannung. Der Weg endet auf einer 2m² großen Wiese. Vor mir der Abgrund, rechts die dicken gelben Rohre des Geländers der Staumauer. Und wir stehen auf der falschen Seite dieses f****ng Geländers. Keine Chance hier wieder auf den rechten Weg zu gelangen. Wir müssen zurück. Aber wie? Ich kann kaum 1m vor und zurück. Mit aller Kraft hieve ich das Heck der Maschine herum. Arschbacken zusammen gekniffen, Gas und den Abgrund rechts ignorierend hoch und hinaus. Es klappt! Bald hat mich die Straße wieder. Sowas kann richtig schief gehen. Im Zweifelsfall lieber absteigen und mal nachschauen, BEVOR eine Umkehr nicht mehr möglich ist!
Auf der Dammkrone angekommen, muss ich erstmal durchatmen, bevor die Schönheit dieses Ortes mich wieder zur Ruhe kommen lässt. Im Auslauf der Staumauer tief unter uns spiegelt sich die sinkende Sonne im Wasser. Ein wunderschönes Fleckchen Erde.



Im Wald entdecke ich noch eine ehrwürdige, interessant konstruierte Eisenbahnbrücke. Die Schienen verraten ihr Alter.



Bei Dziwiszow verlassen wir den TET für diesmal, mit der Inneren Gewissheit, wieder her zu kommen. Jelenia Góra wird angesteuert. Die Sonne steht schon tief und ein ums andere Mal bin ich froh über die im Helm integrierte Sonnenbrille. Auf größeren Straßen genieße ich wieder etwas mehr Fahrtwindkühlung. In der Stadt herrscht Spätnachmittagsgewusel. Die nette Tankstellendame füllt mir kostenlos meine Wasserflasche auf. Mit vollem Tank und ein wenig ausruhen auf dem Bordstein im Schatten geht es nun wirklich in die Berge. Wo ich heute zum Stehen komme, weiß ich noch nicht recht. Karpacz und Kowary möchte ich aber noch hinter mir lassen. Straßenzustand und Vorankommen sind passabel bis sehr gut. Karpacz lockt mit Stabkirche, Schneekoppenblick und vielen Restaurants und Straßenläden seine Besucher. Sie genießen die angenehmen Temperaturen und die Abendsonne auf den Nasen. Immer weiter hinauf zieht sich die wirklich gute Straße gen tschechische Grenze. Horní Malá Úpa grüßt als erstes Dorf auf tschechischer Seite seine Gäste. Mittlerweile werfen die Kuppen und Kämme der umzingelnden Berge lange Schatten und das satte Grün der Bergwiesen strahlt nochmal auf, bevor die Nacht kommt. Zeit, sich ein Lager zu suchen. Doch hier ist alles Naturschutzgebiet und die Wege sind nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad erlaubt. So suche ein wenig herum und lande in Pec.

Vor vielen Jahren waren wir mal bei recht nebligen Bedingungen hier zum Ski fahren. Einige lustige Erinnerungen sind doch wieder aus den tiefen der Gedächtnisbibliothek aufgetaucht und so bekomme ich das Grinsen nicht aus dem Gesicht, während ich langsam durch den Touristenort zuckel. Am Ende finde ich eine beschrankte Wiese. Ein Parkplatz mit Dixiklo, Imbiss und Kinderspielplatz. Nur ein altes Fiat – Wohnmobil steht noch hier. Perfekt! Hier werde ich mein Tarp aufspannen. Gesagt getan. Als alles gemütlich zurechtgerückt und verzurrt ist, suche ich mir eine Sitzgelegenheit und koche. Es gibt Curry mit Hühnchen, Grünen Tee und ein liebes Gespräch mit zu Hause. Kurz kommen noch ständig skypende Eltern mit Kind vorbei. Ein Lächeln gelingt allen zusammen nur, wenn es per Selfiefunktion gilt, demjenigen am anderen Ende der Leitung zu zeigen, wie toll hier alles ist. Als die Telefone weggesteckt sind, wird die kleine vom Pferd geholt und unsanft abgeführt….
So, Essen ist fertig! Leise zischelt der Kocher noch das Teewasser warm. Sonst ist es angenehm ruhig hier. Der Bach plätschert. Das Curry schmeckt wie immer super. Aufräumen, Zahnhygiene, Waagerechte!
In der Nacht hab ich Besuch. Eine Schnake hat sich verfangen und macht Radau an der Zeltplane. Ich befreie sie und sehe einige Glühwürmchen um mich herum. Was kann es schöneres geben.





Auch im Riesengebirge geht im Hochsommer die Sonne früh auf. Und auch wenn die direkten Strahlen noch von den umzingelnden Kuppen im Zaum gehalten werden ahnt man schon, heute wird ein schöner Tag. Es hat sich erfreulich wenig Tau unter der Plane gebildet, ein paar Spinnen haben sich in die Falten der ausgelegten Packsäcke geflüchtet. Wollt ihr mit auf Reisen?
Ultraschnell ist alles verpackt. Mit dem Mosko Moto Reckless – Packsystem bin ich noch nicht so lange unterwegs und doch schon über alle Maßen begeistert. Das Verpacken geht intuitiv und alles steckt wirklich sicher und flexibel. Obendrein sieht es mMn. cool aus. Nicht ganz so cool, wie die Sanitätertaschen aus Altbeständen der polnischen Armee, welche an der AWO ihren Dienst tun, aber weitaus sicherer. Auch sturzsicherer, wie ich gestern testen durfte. Eins muss ich auch zugeben und schon im Voraus um Entschuldigung bitten. Diese riesigen Schrankkoffer aus Aluminium, welche manch Tourenfahrer an sein geliebtes Gefährt schraubt, finde ich nicht schön. Vorteil: Jeder kleine Sonntagsausflug gerät zur Weltreise ;-). Jedenfalls optisch. Außerdem habe ich Angst, wenn ich doch mal falle, mit den Beinen da drunter zu kommen und mich schwerer zu verletzen, als mit den Stofftaschen. Ja, sie sind sicherlich praktisch und sicher…
Zähne putzen nicht vergessen. So. Alles ist startklar. Mal sehen, ob die Schranke mich wieder ziehen lässt. Visa wird verlangt oder bar. Kronen und Heller hab ich keine. Die Karte wird problemlos erkannt. 11€ hat mich diese Nacht gekostet. Danke für diesen naturnahen, ruhigen Flecken Wiese inmitten des Touri – Ortes. Kurz gibt es noch Fake News. Ich schreibe an die Familie, gerade die kleine Elbe übertreten zu haben. Ein Blick auf die Karte offenbart den Fauxpas. Es ist natürlich die Upa. Ich revidiere mich zu Hause. Die Elbe entspringt nämlich in Spindlermühle. Im werdenden Vormittag genieße ich die guten, kurvenreichen Strecken.

Mit der Beschilderung komme ich manchmal nicht so recht klar. In einem Kurort stehen überall Schilder mit „Durchfahrt verboten“ und jede Menge tschechischer Wörter zur Erklärung. In Deutschland erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich mich über die deutschen Verkehrszeichen und Hinweisschilder aufrege. Wer von anderswo soll solche langen Texte denn entziffern können. Naja, das können auch andere, wie mir soeben klar wird. Jedenfalls halte ich an und beobachte die hiesigen Autofahrer, welche fröhlich durch fahren. Also traue ich mich auch hinterher. Beschwingt geht es durch niegelnagelneu aufgezogenen Asphalt. Die Kurven machen bei dem wenigen Verkehr tierisch Spaß. Plötzlich eine rote Baustellenampel mit entsprechender Schlange. Vielleicht doch ein wenig zu forsch unterwegs? Der Bremsweg ist recht kurz und ich entscheide mich, an den wartenden vorbei zu fahren und vorn eine Lücke auszunutzen. Mit Beiwagen wäre sowas nicht machbar. Ich „verdränge“ einen BMW M SUV von der pole position. Wenn das mal gut geht. Geht es nicht! Hätte mir klar sein sollen. Fortan hängt der 2 1/2t Bomber an meinem Schutzblech. Wieder 59 japanische Ponys gegen 500 wütende Lipizanerhengste ? Müssen die irgendwas kompensieren?
Zum Glück möchte ich woanders hin, als Fury hinter mir.
Es sind diese kleinen und kleinsten Straßen, welche das fahren hier interessant machen, wie ich bald wieder feststelle, als die „Treibjagd“ endlich vorbei ist. Man muss langsam fahren, bekommt dafür auch die Umgebung mit. Einmal deute ich die Karte falsch. Der Weg fetzt. Er führt schön kurvig in den Wald hinein. Gerade, als ich mich auf dem richtigen Pfad wähne, versperrt ein Hotel meinen Weg. Einer der Kellner sitzt rauchend auf einer Bank. Kaffeepause. Vorsichtig und in der Hoffnung eines positiven Ergebnisses erkundige ich mich, ob dieser Weg hier weiter geht. Er lächelt und antwortet in fließendem Englisch. Ja, es gehe hier weiter, aber nicht für mich. Das sei hier alles Naturschutzgebiet und deshalb nur für Wanderer und Fahrradfahrer. Ok. Ein kurzer Gruß und ich kehre um.


Von hier aus ist die Heimat schon fast zum greifen nah. Doch, man ahnt es schon fast, der Tag will noch fahrenderweise ausgenutzt werden. Tolle Landschaft, Kaiserwetter und Sträßchen zum Spaß haben versüßen uns den Vormittag. Südlich des Zittauer Gebirges bleiben wir auf teschechischer Seite. Hrensko, ein Touristenort in der böhmischen Schweiz soll unser letzter Wendepunkt und Grenzübertritt werden. Der Ort ist bekannt für seine sehenswerten Felsformationen und Startpunkt vieler Wanderungen zum Prebischtor. Familien, Solisten und größere Gruppen tummeln sich auf der Straße. Vorsichtig schlängle ich mich durch die Menge. Heute hab ich keine Ambitionen mich mit Sack und Pack in die Büsche zu schlagen.





An der Elbe angelangt, folgen wir den Hinweisschildern nach Deutschland, Schmilka ist der Grenzort. Über den Bergen ziehen plötzlich schwarze Wolken von Westen auf. Auch die Temperatur sackt um 10 °C herunter. Fast möchte es mich frösteln in Anbetracht der sommerlichen Plusgrade der letzten Tage. Jetzt könnte ich die „Bringmehome – Funktion“ aktvieren, denn von hier aus ist der Weg ein Heimspiel. Pünktlich vor dem einsetzenden Gewitter entkomme ich unter dem heimischen Garagendach zum Stehen. Der Zündschlüssel schnappt auf 0. Was für ein schöner Ausflug. Erneut bin ich sehr dankbar und fühle mich unglaublich privilegiert, solche Auszeiten zu bekommen und nutzen zu dürfen. Aber ich brauche dieses RAUS! Es ist Teil meines Lebens.
Mein Freund, schnell schnell, das Leben ist zu kurz, um auf die Fortsetzung zu warten. Ich hab mich grad in Rage gelesen und brauche nun dringend Nachschub 😉
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Ja, mein lieber Freund, Reisen und Ankommen ist ein antipodisches Dilemma, mit dem wir so lange leben müssen, bis wir am Ende unserer Tage ankommen – alt und gebrechlich – und dann nur noch von all den Dingen unseren Kindern und Enkeln erzählen können. Und genau das ist das Leben. Also nur zu, raus in die Welt, nur so kommst du an!
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