Vorwort
Eins der größten Abenteuer meines bisherigen Lebens liegt nun nicht allzufern hinter mir und ich möchte mich bemühen, alles erlebte zeitnah festzuhalten.
Am wichtigsten ist, wieder zu Hause angekommen zu sein.
Ich habe die Leute oft in Gesprächen berichtigen müßen. Mein Ziel ist, zu Hause anzukommen, Wendepunkt ist das Nordkap. Damit ich die Strecke bewältigen und dieses Ziel erreichen konnte, mußten so einige technische, menschliche und organisatorische Hürden gemeistert werden. Darum möchte ich als Erstes den Menschen danken, die mich unterstützt haben.
Meiner lieben Anja, Lukas, Lina, Leni, meinen Eltern und Geschwistern mit Familien, Daniel und Claudia, Andre´, Romy und Nick, Herr Ludvig L., Andreas und Conny, Reidar, Anny und Oddmund, Roland und Assar
Wroebe für die Infektion mit dem AWO – Virus und eine besondere Freundschaft
Rene´ (Mopedprinz) für herausragenden technischen Support, die Bereitstellung absolut standfester Antriebstechnik und die viele dankend an- und aufgenommenen Lektionen zu AWO – technischen Belangen, die wesentlich zum besseren Verständnis der Materie, sowie zum Beginn einer neuen Freundschaft beigetragen haben.
Den 2011er Deutschland – Tourern für die Inspiration
Den Leuten vom Niederbarnimer AWO- Stammtisch für einen ganz besonderen Höhenpunkt der Reise ( euer tolles Treffen ) noch kurz vor dem Ziel.
Auch alle anderen, die mich bestärkt und gute Worte für das Vorhaben gefunden haben sollen nicht vergessen sein!
Der Plan
Eine Reise zum Nordkap und natürlich zurück mit dem Motorrad zu unternehmen. Recht schnell wurde im Kopf „Eine Reise zum Nordkap mit der AWO“.
Erster Gedanke
Nach der gespannten Verfolgung der Deutschlandtour einiger AWO – Forumsmitglieder mit weit über 2000 km setzte sich der Gedanke, selbst einmal so eine lange Reise zu bewältigen fest und ließ mich nicht mehr los.
Nach dem 15. AWO – Treffen in Danewitz 2011 und dem Motorschaden bei der Heimreise stand einerseits sowieso eine komplette Motorregeneration an, andererseits hatten die Erzählungen der Langstreckenfahrer meine Gedanken noch mehr untermauert.
Es folgten längere Gespräche mit Anja, die dann Mitleid mit mir hatte und schließlich zustimmte ( das werde ich dir nie vergessen ), sowie mit den Eltern und dem Rest der Familie.
Beginn der Vorbereitungen
Erste, von mir etwas unbeholfene Telefonate mit Rene´ „Mopedprinz“ Nawrath vom Trekker aus. Es geht um technische Machbarkeit: allein, mit AWO und Beiwagen + Ersatzteile an Board.
Ergebnis : machbar !
Voraussetztung : Motor, Getriebe und Kardan instandgesetzt., Rest der Maschine in gutem technischen Zustand
Die Instandsetzung erfolgte durch Rene´.
Im September 2011 holten Anja und ich den Motor wieder ab.
Bei der ersten Probefahrt klemmte das Auslassventil. Nach Telefonat mit Rene´ lud ich die komplette AWO in den Espace und fuhr nach Reinsdorf. Er nahm sich fast einen ganzen Tag Zeit für mich.
„Alles hat sein Gutes.“ Dieser Spruch trifft hier wieder voll ins Schwarze. Denn hätte das Ventil nicht gehangen, hätten wir auch nicht nochmals die Zuganker kontrolliert und dabei bemerkt, daß einer sich aus dem Block gelöst hatte und es sicher irgendwann während der Fahrt zum Ausfall gekommen wäre.
Es folgten 500 km Einfahrphase ohne Beiwagen. Danach wurde der dieser angebaut.
Die letzte große Proberunde am 13.11.2011 führte mich erneut nach Reinsdorf. Die Beladung glich der im fertigen Reisezustand schon sehr ( Ersatzmotor, Werkzeug, warmer Tee usw. ).
Start war 7:30 bei -2°C. Die von Anja „verschriebenen“ Klamotten bewährten sich bei -2 bis -5°C. Die Eiskruste am Brillenrand und Beiwagenreling blieb bis zur Ankunft zu Hause dran 🙂 . Schwachstelle: Kalte Füße ! Gefahren bin ich ca. 500 km mit Abstecher zum Wroebe. Das ganze passierte bei ca. 4-5 l/100km Verbrauch und 70 bis 80 km/h Reisegeschwindigkeit ohne größere Anstrengungen und Sitzprobleme. So stelle ich mir reisen vor.
Zur Routenplanung entschloß ich mich nach Karte zu fahren. Per Hand wurden die Seiten ausgesucht, eingescannt und ausgedruckt, Der Weg wurde eingezeichnet und anschließend wasserdicht einlaminiert. Das ganze war etwas mühsam, aber ich fand es toll, sich in Gedanken schon mit der Strecke vertraut zu machen. Außerdem: „Navi? No way!“
Ein weiteres Problem war, meine eigene Vorfreude im Zaum zu halten und nicht ständig nur davon zu erzählen. Also versuchte ich mich zurückzuhalten, um die anderen, besonders Anja und meine Mutter nicht zu sehr zu nerven bzw. zu ängstigen. Das gelang mir manchmal glaube ich nicht so gut.
Mittlerweile war auch das Zelt und die Isomatte, sowie einiges andere an Utensilien gekauft. Bei den Arbeiten am Gespann stellten wir fest , daß einiges an den Rädern zu tun war. Die Beiwagenfelge war Schrott, der Lack schlecht und die Speichen problematisch. Daniel half ( wie so oft ) mit einer guten Felge aus. Die Lackierung übernahmen Friedrichs und es wurde sehr gut !
März 2012
Der Reservemotor hat sicher verschraubt im Beiwagen Platz genommen und zwar so, daß ich noch die Spitze des Boots mit Sachen füllen kann.
April 2012
07.04.2012 Ostersamstag mit Schneefällen.
14.04.2012 Endlich kamen die frisch eingespeichten Felgen von Torsten Dietel an.
18.04.2012 Einbau des Ersatzmotors. Dieser sprang sofort an, lief ruhig und fuhr gut. Bei abgebautem Beiwagen dauerte der Motorwechsel 1h 45min. Seit die Räder neu und die Schrottfelge weg war, lief das Gespann sehr ruhig und ohne Vibrationen.
Nach 250 km stellten sich Probleme beim Reservemotor ein, die trotz mehrerer eher laienhafter Versuche meinerseits nicht beseitigt werden konnten.
Mai 2012
18.05.2012 Der „Retter“ naht. Rene´ kam zu Besuch und wir stellten gemeinsam Zündung und Vergaser ein. Der Vergaser wurde komplett überholt. Probefahrt: läuft ! (na klar was sonst 😉 )
21.05.2012 Die Getriebeeingangswelle war leicht undicht geworden und so tauschte ich noch den WeDi-Ring, als ich das Getriebe sowieso wegen dem Rücktausch der Motoren draußen hatte. Öle wurden auch gleich komplett gewechselt.
25.05.2012 Es wurde langsam spannend. Ich packte alles zusammen…
Und los geht’s…
Tag 1
Deutschland möchte ich auf dem kurzen Wege durchqueren, also Autobahn. Bis Niesky, dann auf die B115 und ab Roggosen auf die A15. Unterwegs lege ich mehrere Stopps ein. Mal nach den Speichen gucken, Kerzengesicht usw. . Dann auf die A13 und bei regem Verkehr, aber ohne Stau durch Berlin durch. Der Gegenwind verstärkt sich hinter Berlin und ich hänge mich hinter einen polnischen LKW, der bestimmt 100 km mit 80 km/h vor mir her fährt und lasse mich ziehen. Erholsam für die AWO, aber ich muß mehr mit Verwirbelungen kämpfen und aufpassen. Auf der A10 fliegt die Zeit dahin und schon fahren wir in Hamburg ein. Ab durch die City. Mittendrin geht die Ladekontrolle an. Limadeckel ab und gucken. Aber es ist nichts zu finden, die Ladekontrolle geht jedoch wieder aus. Währenddessen spreche ich kurz mit einem Skateboardfahrer, der auch ein Motorrad hat und gerade Zeit zum quatschen. Es dauert gefühlt ewig bis der Molloch hinter uns kleiner wird.
Noch ein paar km bis zum Etappenziel für heute. Das so schon flache Land wird noch flacher und es riecht verdächtig nach Meer, hmmmm. Letzte Hürde NOK ( Nord – Ostsee – Kanal ). Ich montiere meine selbstausgedachte Helmkamerahalterung, nur um auf halbem Wege nach oben festzustellen, daß ich vergessen hab, sie anzuschalten. Die Halterung bewährt sich nicht, zu schwierig einzustellen und man muß auch dorthin gucken, wo man filmen will. Aber wie will man links filmen und geradeaus gucken …. also zum filmen Knipse in die Hand. Die Einfahrt nach Friedrichskoog endet mit einer fröhlichen Romy, die mir zuwinkt, und der Verschönerung des Beiwagenkotflügels unter zu Hilfenahme von Nick´s und Romy´s Gartenzaun 😦 . Der Quotenunfall mit grüner Beule wäre also auch erledigt. Ein von mir eilig angebotenes Gümmibärchen nimmt Romy erst an, als es runtergefallen ist.
Merke: Man kann auch runtergefallene Sachen noch essen! An diese Episode werde ich ab jetzt für den Rest meines Lebens und immer, wenn ich was runtergefallenes esse, gerne zurückdenken (manche nennen es auch die 5 – Sekunden – Regel).
Noch schnell den kleinen Service machen, Öl auffüllen, rundherum gucken und kontrollieren. Zudecken. Fertig!
Es folgen sehr nette ( wie immer ) Stunden bei Schnack und lecker gegrilltem, sowie eine kurze Nacht.
Tag 2
31.05.2012 (584 km)
Ich starte gut „gefüttert und gewässert“ um 8:00 Richtung Husum und Flensburg und steure somit auf die erste Grenze zu. Eine frische Brise begleitet mich, die ab Höhe Kolding in DK dann endlich von hinten etwas schiebt. So fährt es sich erheblich leichter. Heute werden die Brücken „erklommen“. Zuerst der große Belt und dann der Öresund. Für mich zweimal ein spektakuläres Ereignis mit leicht mulmigem Gefühl wegen des Windes und… wisst ihr eigentlich, wie schieten hoch diese Brücken sind ? Unvergesslich. Und das mit der AWO! Ich zahle 2 mal jeweils um die 160 Dänische Kronen und freue mich, kein Wohnmobil zu fahren. Nicht nur weil das unheimlich viel teurer ist als Motorrad.
Unterwegs in Schweden halte ich an einer Tanke einen sehr netten Plausch mit nem böse dreinblickenden Rocker, dessen Gesichtszüge sich schnell lockern, als er die AWO , meinen „Eisbrecher“ sieht. Ruckzuck sind 10 min verquatscht (Motorräder, Wetter, Reiseziel, Strecke bis Oslo). Oberhalb von Helsingborg nehme ich Kurs auf Ängelholm, um mir ein Nachtlager zu suchen. Nach einigem suchen mache ich Halt auf einem Zeltplatz, baue den Beiwagenkardan ein und mache den täglichen Check. Die ersten Mücken sind da und zwei Fahrradfahrerinnen mit ihren Hunden. Ich gehe zum Strand und sehe, dort werde ich schlafen. Also zurück zum Zeltplatz, AWO schnappen und DIREKT an den Strand. Der Weg über die Düne ist mit Holz ausgelegt und so kann man fahren. Ein Traum. Und wie Thomas D. singen würde: „…ein Tag am Meeeeer…“. Ich schlafe auf der Lee – Seite der AWO .
Mitten in der Nacht quatscht mich ein Chinese aus dem Schlaf; mit lautem Hi, Hi und seinem Eifon vor meinem Gesicht fuchtelnd 🙂
„What you do here?“ > „Sleep“„ >Where you from?“ > „Germany“ > „I … here … tent … sleeping! See you next time.“
und verschwindet hinter der Düne. Verrückt !
Tag 3
01.06.2012 (486 km) Start 6:30 von Ängelholm nach Vestby
4:30 erwache ich und erlebe einen tollen Sonnenaufgang . Es gibt auch eine Dusche am Strand, die zwar kalt ist, aber meine Lebensgeister zuverlässig weckt. Danach gibt es lecker Im Nu vom Benzinkocher und friedliche Minuten am Meer. Zusammenpacken und los. Meine Geschwindigkeit pendelt sich zwischen 60 und 70 km/h ein und das fühlt sich besser an, als sich bei den jetzt häufigeren Steigungen mit gequälten 80 Sachen fortzubewegen. Allerdings sinkt auch die schaffbare Strecke. Das ist mir aber nicht so wichtig.
Morgens wird wohl meine liebste Zeit zum fahren, wenn die Natur erwacht und noch wenig Verkehr ist. Durch wunderschöne Landschaften mit sanften Hügeln, sattem Grün und roten Höfen geht es Richtung norwegische Grenze. Ein letztes Mal tanke ich auf schwedischer Seite in einem Shoppingcenter bei Nordby. Dort genieße ich mein Teechen und ein paar Kekse bei herrlich wärmendem Sonnenschein. An der Grenze sagt mir der Beamte, daß Motorradfahrer an vielen Stellen keine Maut zahlen müßen und ein paar Zöllner winken mich lächelnd durch die Kontrolle. Das fahren macht super Spaß, seit ich mich richtig anziehe ( Halswärmer ). Dann die erste Regenfahrt: die Kleidung bewährt sich , aber leider verliere ich die Überhandschuhe. Hab ja noch ein paar mit, aber die sind schwer anzuziehen und naja… unhandlich. In Vestby steuere ich einen Hüttenplatz an. Für 450NOK gibt’s ein sehr sauberes Zimmer mit gutem Bett und Dusche auf dem Gang. Trotz des Regens hab ich einen leichten Sonnenbrand auf der Nase und leichtes Brummen in den Ohren. Nun noch Öl auffüllen, duschen und ins Bett.
Tag 4
02.06.2012 (277 km) Start 7:30 Vestby, Oslo, Hønefoss, Noresund, Nesbyen, Gol, Ål
Nach einer sehr ruhigen Nacht in einem sehr guten Bett, mit netten polnischen Leuten im Nachbarzimmer, die wohl eine Knobi – Fete hatten, trete ich bei ca. 7°C und herrlicher Sonne meinen Weg Richtung Oslo an. Der Schlüssel fürs Zimmer mitsamt einem Dankeszettel für das gute Bett landet in einer Art „Schlüsselrückgabebriefkasten des Vertrauens“. Mein Tacho fängt an zu spinnen, doch nach kurzer Zeit mag er wieder richtig funktionieren. Oslo durchfahre ich bei Kaiserwetter, wenns auch etwas frisch erscheint. Nach einer Tunneldurchfahrt öffnet sich das Land und ich sehe, jetzt beginnt das richtige Norwegen. Schon wird der 3. Gang etwas öfter gebraucht.
Mich friert etwas bis zu einer Tankstelle. Dort gerate ich bei heißem Kakao und einem „Aunt Mabels“ Muffin mit Schokostückchen mit den beiden sehr netten Leuten an der Kasse gleich ins Gespräch. Eine viertel Stunde später gehe ich glücklich, munter, satt und warm zu meinem Gespann und nach einem Kick knattern wir weiter. Zwischendurch fällt mir auf, daß mein Beanie weg ist. Ich kaufe mir in Noresund nach der ersten Bedienung einer norwegischen Minibank (Geldautomat) eine neue Kopfbedeckung und ein paar Schlappen. Auch hier ist die Bedienung äußerst nett, fröhlich und freut sich über mein „tusen takk“.
Beim nächsten Halt schmeiße ich mein viel zu wohlwollendes Thermometer ( zeigt bei 5°C super optimistische 15°C an, ich frier mir mit unangemessenen Klamotten einen ab und denke was ich für ein Schlappi bin ) weg und kaufe mir ein norwegisches, das nachher auch noch in Deutschland richtig funktioniert. Auch hier gibt’s sofort kostenlos nette Gespräche mit der Kassiererin. Diese meint, es wäre bissl kühl zum Motorrad fahren, als ich erzähle, daß mein altes Thermometer mich belügt.
Alle sind so nett hier, egal wo !
In Gol Richtung Lærdal biege ich falsch ab und komme in den Genuß einer ganz tollen Aussicht beim befahren des Schleichweges zurück zur richtigen Strecke. Beim Halt an einer Kirche sehe ich Autos, die auch da halten. Eine ganz toll in Tracht ( Bunad ) gewandete Dame steigt aus. Das sieht nach Hochzeit aus, also schnell los, um nicht zu stören.
In Ål spricht mich Herr Ludvig L. an. Ein kurzer Plausch und er fragt mich, ob ich ihm helfen könne, etwas Holz abzuladen. Ich bejahe, er holt etwas zu essen im KIWI – Markt und dann folge ich ihm. Nach 2 min. Fahrt geht es einen Schotterweg steil bergauf, den ich im 1. Gang nur mit Anlauf schaffe. Wir laden Balken von einem sehr alten Lufta ( Holzhaus ) ab und er läd mich in sein „Häuschen“ ein. Wir essen zusammen und trinken Wasser aus einer Jahrhunderte alten Quelle, die absolut keimfrei und zudem noch sehr schmackhaft ist. Er meint, ich könne hier für eine Nacht oder so lange ich möchte bleiben. Das wichtigste wäre, den Wasserhahn ordentlich zuzudrehen. Nach einer Stunde verabschiedet er sich höflich mit vielen Wünschen und fährt zurück zu seiner Frau. Nun sitze ich hier allein mit 2 alten Holzhäusern auf der Veranda, genieße das Hallingdal von seiner schönsten Stelle aus und bin völlig baff über soviel entgegengebrachtes Vertrauen und ungezwungene Freundlichkeit und mit der Garantie, wieder her kommen zu dürfen. „Mit meiner Braut“, wie er meint.
Bei 8°C fallen ein paar Schneeflöckchen, die Quelle sprudelt, Schafe weiden unterhalb und auf der anderen Seite stürzt ein Wasserfall ins Tal, während ich Öl kontrolliere und den rechten Stoßdämpfer an der unteren Aufnahme repariere. Wahrscheinlich ist das hier die Servicestation mit dem besten Ausblick im ganzen Hallingdal. Nach einer Dusche liege ich im Bett und höre Max Rabe bis nach 3 min. der Tiefschlaf einsetzt.
Cut – Was nützt das beste Handtelefon, wenn die SIM – Karte kaputt ist ?
Technisches:
Stoßdämpfer hinten rechts unteres Auge, Gummi repariert, Ventilspiel geprüft … ok, Steuergehäusedeckel nachgezogen
Tag 5
03.06.2012 (378km) Start 6:30 Ål, Aurlandsvangen, Lærdalsøyri, Øvre Årdal, Turtagrø, Juvvashytta, Lom, Grotli
Ein toller Reisetag mit schwierigen Passagen bricht an. Nach einem sehr frühen, gemütlichen und ausgiebigen Frühstück mit Quellwasser, Kaviar und Brot verlasse ich den mir überlassenen Bauernhof ohne Spuren zu hinterlassen in Richtung Aurlandsvangen.
Auf dem Aurlandsvegen will ich fahren, der nicht ganz ohne Grund „Eisweg“ genannt wird. Vom lieblichen Hallingdal fahre ich hinauf in eine andere Welt. Heute muß auch der 2. Gang ab und zu etwas tun. Zugefrorene Seen, nicht nur die Bergspitzen sind schneebedeckt, ein scharfer Wind pfeift um die Nase. Das Beste: für 90 km keine Menschenseele weit und breit. Ich hab das alles für mich allein. Es schneit bei 3 bis 5°C. Mir ist nicht kalt. In der Mitte geht das Benzin aus und der Reservekanister kommt zum Einsatz. Kurz vor einem Tunnel überholt mich ein Bus mit Japanern.
Wenns hoch geht, geht’s auch wieder runter. Steile Serpentinen mit Tunneln, die im inneren schlecht ausgeleuchtete 90° Kurven haben, sind schon etwas abenteuerlich, wenn auch imposant. Vom Tal aus sieht man die Straße gar nicht. An einem Aussichtspunkt halte ich und treffe den Bus wieder, der gerade losfährt. Plötzlich schreit es aus einem Busch. Der Bus stoppt nach ein paar Metern… fast jemanden vergessen!
Im schönen Aurlandsvangen tanke ich und telefoniere kurz mit Anja via Festnetz, um den SIM – Karten – defekt zu berichten. Jetzt geht’s ab, in das längste Straßentunnel der Welt. Das Lærdalstunnel misst über 24 km. Das ist verdammt viel und eigentlich eintönig, wenn nicht 3 in Fels gehauene Hallen, die mit blauem und orangenen Licht ausgleuchtet werden, eine Abwechslung mit „Aha – Effekt“ bieten würden.
In der letzten der drei Hallen halte ich verbotenerweise trotzdem heimlich an, hinterlasse ein klitzekleines Tag, mache ein paar Fotos und staune über die unheimliche Akustik im Tunnel. Die Autos schieben förmlich die Schallwellen durch die Röhre vor sich her. Diese entfalten sich in den Hallen und hören sich noch imposanter an. Man glaubt ein Lkw kommt angesaust, und bereitet sich schon auf den Windstoß vor, doch es kommt nur PKW nicht mal all zu schnell vorbei gesummt. Schein und Sein. Weiter geht’s … oder doch nicht? Beim Antreten bricht die Kickstarterfeder, und der Kicker bleibt unten. Recht schnell ist ein Provisorium aus einem Gummiband angebracht, das nach einigen kleinen Modifikationen ohne Probleme bis nach Hause seinen Dienst tut.
Über Lærdalsøyri fahre ich am kalt aussehenden Årdalsfjord bis Øvre Årdal. In dem kleinen, von steilen Felsen umgebenen Städtchen richte ich den Fußbremshebel. Die Schraube hat sich, absolut unüblich für die AWO selbst FEST gezogen.
Schon ein paar Minuten später schlage ich einen der steilsten Wege meiner Reise ein. Den Weg durchs Fardalen in Richtung Turtagrø. Haarnadelkurven werden im ersten Gang bei vollem Lenkeinschlag bewältigt und langsam wird es mal wieder Winter. Wenn man denkt, man ist oben … nene… .
An der Mautstation bin ich schon voll Schnee und es weht. Aber die Straße ist gefräst, wenn auch zum Teil mit imposanten mit 4m hohen Schneewänden. Immer weiter hinauf zieht sich die Straße, die dann übers Sognefjell bis ca 1430 m hoch führt. Manchmal denke ich, der Motor geht fest oder zieht nicht mehr richtig, denn ich komme trotz gefühlt wenig Steigung selbst im 2. Gang nur mühsam vorwärts. Dann die Auflösung in Form eines Warnschildes: 14 % Steigung. Aha! Rechts der Straße ragen Berge bis 2100m auf, links geht’s bis 1600m. Im Leirdal dagegen grüne Bäume und der Flieder blüht.
Jotunheimen: Die Riesen verhüllen ihre Gesichter. In Galdesanden biege ich rechts auf den Weg zur Juvvashytta ab und fahre fast die ganze Zeit bis zum Raubergstulen im ersten Gang. Mannometer ist das steil hier. An der Schranke zahle ich Maut und … upps … die Schranke geht aber schnell wieder runter. Also, … an der Schranke bezahle ich ein zweites mal Maut, sehe zu, schnell durch zu schlüpfen und packe danach alles wieder zusammen.
Zunächst läuft alles noch ganz passabel ( im 1. Gang ), doch der Nebel wird immer dicker und die Temperatur sackt von 12°C auf bis – 2°C ab. Kann ja nur gut für die Luftkühlung sein . Es beginnt zu schneien. Wir klettern immer weiter hinauf und um jede Kurve wird die Sicht schlechter. Schätze so 5 bis 10 m noch. Doch das stört ja keinen großen Geist, solange kein tiefer Schnee auf der Straße ist. Schon hinter der nächsten Kurve ist es dann soweit und das erste Schneefeld ist zu sehen. Anlauf und durch. Jetzt wäre Crosspelle und Seitenwagenantrieb toll. Noch einmal 20m freie Straße zum Schwung holen und dann ist Feierabend. Umdrehen und nochmal mit Schwung … keine Chance. Ich gebe auf. Schließlich soll ja nix kaputt gehen.
Bei jetzt noch gefühlten 2 m Sicht baue ich aus lauter Freude am Frust einen Schneemann auf die Straße und mache ein paar Fotos, damit das auch einer glaubt. Auf dem Weg nach unten sollte es leichter gehen. Bloß doof, wenn beim bremsen beide Räder im Schnee schon rutschen und man trotzdem nicht langsamer wird. Auf Wiedersehen Galdhøppigen !
Im Tal ist dann wieder alles gut und ich fahre weiter in Richtung Lom. Nach zwei kurzen Stopps zum tanken und gucken an einer Stabkirche, biegen wir auf die Strynefjellstraße ab. Heute wird gezeltet. „Mitten“ im Fjell! Bei Grotli schlage ich an einer noch wegen Schneeverwehungen gesperrten Seitenstraße mein Zelt so auf, daß ich einen herrlichen Blick auf dieses bizarre Fleckchen Erde genießen kann, das nur auf den ersten Blick aus nicht mehr als Wasser, Stein, Schnee und Moos zu bestehen scheint. Als Abendbrot gibt’s nach dem täglichen Motorradservice feinen Fencheltee und lecker norwegisches Brot mit Salami von Onkel Reiner und Tante Claudia. Als Zugabe noch die Wärme des Benzinkochers und diese herrliche Aussicht. Schnee rieselt leise aufs Zelt. Ein bunter Vogel hüpft hier herum und sucht zwischen den Steinen nach Samen.
Technisches:
Kickerfeder gebrochen … Berndes patentierte Gummibandkickstarteraußenrückholkinematik, Fußbremshebel hat sich von alleine fest gezogen, Magnet und Lichtmaschine geprüft … ok
Tag 6
04.06.12 (194km) Start 7:00 Grotli, Djupvasshytta, Geiranger, Trollstigen, Åndalsnes, Vistdal
Ich wache gegen 4:30 auf und fühle mich unerwarteterweise schön ausgeschlafen. 1°C zeigt das Thermometer an. Es ist grau, still und friedlich hier. Nachts gab es seltsame Geräusche rund um das Zelt. Ich denke, irgendwelche „Viecher“ 🙂 .
Das Frühstück schmeckt , wie wahrscheinlich immer an der frischen Luft und selbst, wenns nichts besonderes ist, besonders gut. Mein allmorgendliches Highlight ist der heiße IM NU ( Muggefugg ) mit ein bisschen Zucker und Kaffeeweißer. Danach packe ich in aller Ruhe zusammen, räume mein bisschen Müll weg und starte in den Tag.
Die Wolken hängen wie Seidentücher um die Berge. Auch hier bei 1 bis 3°C ist mir komischerweise nicht kalt. Das liegt vielleicht an meiner Vorfreude, wer weiß.
Dann das Schild: Geiranger; Trollstigen rechts. Meinen Weg begleiten 2 bis 4m hohe gefräste Schneewände. Der See ( Djupvatnet ) ist zugefroren und mit Schnee bedeckt, so daß man nur erahnen kann, wo er ist. An der noch geschlossenen Djupvasshytta biege ich in Richtung Dalsnibba ab. Mautstation! Ich zahle und fahre flux durch, damit die Schranke es sich nicht wieder anders überlegt. „Diesen Aussichtspunkt sollte man immer mitnehmen!“, höre ich noch so manche Stimme mit Begeisterung erzählen. Aber auch hier zeigt mir der Schnee meine Grenzen. Fast eingeklemmt zwischen gefrästen Wänden fahre ich vielleicht bis zur Hälfte um zu erkennen, hier geht’s für mich nicht weiter. 20 m weiter hinter der nächsten Kurve STEHT eine riesige Schneefräse.
Ich kehre um und weiter geht’s, hinein in einen Waschkessel aus Wolken, Nebel, und Schneeflocken. Hoffentlich fahre ich nicht an Geiranger vorbei, ohne es zu sehen! Nach einigen rasch aus dem Nebel auftauchenden und sehr engen Kurven stoßen wir durch die Wolkendecke, die das Tal überspannt und… AHA… jetzt wird mir klar, warum alle hier hin wollen.
Der Blick ist wirklich grandios, genauso wie die Straße, die ins Tal führt. Jetzt kommt auch die Sonne heraus und spielt mit den Wolken, die sich um die Bergspitzen tummeln. Es wird immer grüner und man meint, vom Winter binnen einer halben Stunde in den schönsten Frühlingstag zu fahren. Das ist viel Input, den ich erstmal verarbeiten muß. An einem Aussichtspunkt mache ich Halt und genieße. Ruhe, Fjord, Berge, Sonne, AWO und ich, hier nach ca. 2700 km, Solche Bilder gehen wahrscheinlich auch nicht mehr aus dem Kopf, jedenfalls hoffe ich, daß sie lange dort bleiben.
Weiter abwärts führt die Straße ins schicke Örtchen Geiranger. Im Souvenirshop kaufe ich 3 Ansichtskarten und schreibe gleich an Freunde daheim.
In einem anderen Einkaufsladen bekomme ich eine norwegische SIM- Karte fürs Handtelefon und von einer sehr netten Verkäuferin bis ins Detail erklärt, was ich zu tun habe, damit alles funktioniert. Nach 2h ist der Kontakt zur Außenwelt wieder hergestellt. Ich gönne mir ein Eis plus einen Ananas-Kokos-Smoothie und sitze bei Sonne am spiegelglatten Geirangerfjord. Noch ist hier bis auf ein paar einzelne Wohnmobile und einen japanischen Touristenbus nichts los, ich denke aber, das wird sich in den nächsten Tagen ändern. Zwischen Fjord und Fels eingeklemmt schlängelt sich die Strasse.
Kein Schiff ? Doch da kommt ein „großer Weißer“ um die Kurve und ich halte an um zu schauen. Ein Pärchen aus Chemnitz steht mit Kamera bereit zum Knipsen und freut sich über … „ne AWO am Geiranger“.
Da klappts doch noch mit dem Ozeanriesen. Nach einer halben Stunde nähert sich bereits der zweite große Pott. Ich sehe noch ein bisschen zu, wie die beiden umeinander herum „tanzen“. Bei dem heutigen Wetter ohne Wind allerdings ein Schauspiel mit bitterem Beigeschmack … in der Luft , wegen der Abgase. Weiter geht’s Richtung Trollstigen im 2. Gang die Serpentinen rauf. Auf halbem Wege den Berg hinauf halte ich doch nochmal an. Ein weiterer Aussichtspunkt mit einem grandiosen Panoramablick auf Geiranger und den Fjord, den man keinesfalls auslassen sollte.
Den Norddalsfjord mit seinem schwarzblauen Wasser und der kalten, extrem sauberen Luft überqueren wir via Fähre. Es folgen liebliche Täler mit auffallend üppigem Grün. Hier werden sogar Wiesen bewässert. Im Valldalen staune ich über große Erdbeerfelder und blühende Apfelbäume. Auch hier sind die umzingelnden Bergspitzen schneebedeckt.
Ich lasse mir an der nächsten Tanke erklären, daß die Norweger IHRE norwegischen Erdbeeren trotz des schwindelerregenden Preises wegen des vorzüglichen Geschmacks immer den „anderen“ vorziehen.
Trollstigen: Ein wahrer Augenöffner! Als ich am Abgrund stehe bin ich plötzlich froh, runter fahren zu dürfen. Das kann man gar nicht so beschreiben. 1000 m Höhenunterschied! Ich überwinde meine Höhenangst und mache mich zu Fuß auf den Weg. Der führt an einem … äh … künstlerisch gestalteten Gebäude mit Wasserspiel und ohne sichtbare Funktion, bei dem sogar die kunstgewohnten Norweger fragend stehen bleiben vorbei, zu dieser verrückten Aussichtsplattform. Vor mir eine Familie mit einem Vati der das selbe Problem zu haben scheint, wie ich und ein Biker mit Bierkuttel in voller Montur. Die Sonne meint es gut und Gedanken kommen hoch, warum man den Kosmonautenanzug nicht abgelegt hat. Opfer müßen sein. Vor uns versperrt eine Schneewehe den Weg und läßt noch 30cm Platz zu Geländer und Abgrund. Für mein Voraus ist hier Schluß. Er kehrt dampfend um. Zu eng.
Ich zwänge mich durch und hänge mich an die deutsche Familie. Ein Blick von ihm, ein Wort von mir und es wird klar, ich hab richtig getippt mit der Höhenangst. Der Aussichtspunkt führt geschätzte 10m über den Abgrund. Es erwartet uns eine super sauber und annähernd unsichtbar geputzte Glasreling, durch die man alles schön sieht. Ich ziehe die Betonwand mit Sitznieschen vor. An der „herausragendsten“ Stelle macht eine Mädchengruppe von meiner Warte aus gesehen, gewagt aussehende Bilder. Ich denke noch, hoffenlich fällt keine runter.
… Shit … entfährt es mir laut, als ich merke, ich stehe unverhofft auf einer Art großem Grillrost, das freilich die gähnende Leere unter mir frei gibt. Klar bin ich bei den Kids der Lacher. Also „trolle“ ich mich von dort, um die Fahrt ins Tal zu wagen. Ganz schön steil !!!
Krass, hier schinden sich auch Fahrradfahrer hoch. Ich grüße jeden und winke! Das ist das mindeste an Respekt was man den Leuten entgegenbringen sollte. Man ist schier Kurven- und Gefällegesättigt wenn man unten ist und als die Serpentinen wieder in normale Straße übergehen, ist fast Stille um mich rum. Nach ein paar mal schlucken hat sich der Druck in den Ohren ausgeglichen und die „Akustik“ stimmt wieder. Gut, daß ich an diesem recht warmen Tag bei um die 15°C dieses Monument nicht in entgegengesetzter Richtung zu bewältigen hatte.
Die nächste größere Stadt auf meinem Weg ist Åndalsnes am Romsdalsfjord. Dort hole ich mir im KIWI – Markt Fishermans Friend „Mint“, einen Mango – Smoothie und einen Apfel. Die sind so teuer, daß man sie lieber nur einzeln nimmt. Dafür genieße ich ihn um so mehr. Man kann sich auch ne halbe Gurke einpacken lassen, ohne komisch angeschaut zu werden.
Ich möchte mit der Fähre noch nach Molde übersetzen. Als ich in Åfarnes zum Anlegesteg komme, machen die gerade die Klappe zu und fahren mir vor der Nase weg. Zeit, zum verschnaufen.
„Mensch, das gibt’s doch nicht, ne Awo, wie ich eine hatte.“, höre ich jemanden rufen. Andreas, ein deutscher Busfahrer aus dem brandenburgischen der hier lebt und arbeitet, kommt freudestrahlend auf mich zu und kanns gar nicht fassen. „Ich hab im Bus gesessen und im Rückspiegel diese gelbe 6 Volt – Funzel gesehen. Ich hab gleich gedacht, das kann nur ne alte DDR – Kiste sein.“ Da er Linienbus fährt und auch auf die nächste ankommende Fähre wartet, um die Leute die mitkommen auf die Dörfer zu verteilen, haben wir schön Zeit zum erzählen. Ehe ich michs versehe, bin ich in sein Heim eingeladen. Er gibt gleich fernmündlich seinem Sohn zu Hause die Anweisung, in der Hütte den Boiler anzuwerfen, damit ich dann warmes Wasser zum duschen hab. Ich bin komplett platt. Mal sehen, wann ich einmal etwas von soviel Gastfreundschaft zurück geben kann. Wir machen aus, daß ich ihm folge und dort anhalte, wo er seine Frau, aussteigen läßt. Es folgt eine für mich recht rasante, für norwegische Busfahrer aber völlig normale Fahrt am Langfjorg entlang. Da fahre ich das erste und einzige Mal 80 km/h mit dem Beiwagenkardan. Unterwegs ein kurzer Stop. Er hat vergessen, ein Päckchen bei einer Butykk ( Laden ) abzugeben. Da mit dem Bus das Umdrehen schwierig ist, übernehme ich die Botenfahrt gern und gebe es ab. Zuhause angekommen lade ich ab. Conny zeigt mir die schöne, gemütliche, alte Hütte und geht dann den Rasen mähen. Als ich zum Fenster hinaus gucke, wird mir klar, daß ich erneut an einem wunderschönen Flecken Erde rasten darf. Sie haben es echt schön hier in Vistdal. Heut steht noch folgendes an: mit dem Trekker ( Fordson Dexta ) einen Bulli mit Anhänger den Berg hoch schleppen, den täglichen Service an der AWO (Kerze, Vergaser, Magnet, Ventile, Radlager, Öl ) erledigen, ein längeres nettes Gespräch mit Rene´ mit wieder jeder Menge Tips, und ein Besuch von Andreas Bootsstegbaustelle. Seine Kids sind klasse. Der Sohn hat Soljanka gemacht und die Tochter begeistert mich mit der wohl besten Mischung aus typisch brandenburgischem Slang und perfektem norwegisch. Nach dem Essen geht’s in die Hytta. Noch ein sehr liebes Telefonat mit Anja und die Augen fallen zu. Manchmal hab ich echt zu tun mein Tagebuch zu schreiben, weil es mich so sehr in die Waagerechte zieht.
Technisches:
Kardan fängt leicht an, zu schwitzen … ein kleiner Lappen um die Ablassschraube hält bis nach Hause dicht, weil ich dauernd irgendwas mit Öl hab, bin ich bei Rene´ unter „Ölbernde“ abgespeichert ;-), Ventilspiel kontrolliert … leicht nachgestellt, Radlager geprüft … kein Spiel
Tag 7
05.06.12 (423 km) Start 6:00 Vistdal, Eidsvåg, Molde, Elnesvågen, Bud, Kristiansund, Halsa, Trondheim, Vikhammer
Nach einer regnerischen ( draußen ) und himmlischen ( drinnen, schlafend ) Nacht präsentiert sich der Langfjord als Spiegel, über dem jemand Watte aufgehangen hat. Meine Gutste war schön zugedeckt und es ist nix naß geworden. Packen und los.
Ab 6:00 sind wir in Richtung Eidsvåg unterwegs. Ein Blick zurück in Dankbarkeit für die schöne Bekanntschaft und das trockene Plätzchen. Schon nach den ersten 5 km merke ich hier wäre mir eine tolle Strecke entgangen ( wahrscheinlich wie an so vielen anderen Stellen in diesem Lande, aber man kann nicht alles schaffen ). Andreas kommt mir früh schon mit seinem Bus entgegen und wir winken uns nochmal wie wild zu. Nach ca. einer halben Stunde Fahrt läuft mir ein Dachs über den Weg und ich werde langsamer. Der läßt sich gar nicht stören. Knapp 100m weiter: ein Elch ( übrigens der einzige auf der ganzen Reise ) kreuzt sehr kurz vor mir die Straße. Ganz schön Verkehr hier und gut, daß ich wegen des Dachses abgebremst hatte.Mit Elchen verhält es sich so, daß man trotz der vielen Schilder „Store Elgfare“, „Große Gefahr vor Elchen“ entweder nie einen zu Gesicht bekommt oder man direkt in einen rein fährt. Ich hatte Glück und durfte nur zusehen, wie er gemächlich meinen Weg kreuzte.
Seit gestern mache ich mir Gedanken über meine Bilder. Da ich, was plötzlichen Datenverlust auf den neuen Speichermedien angeht ein gebranntes Kind bin, bin ich auf der Suche nach einer Möglichkeit alles nochmal zu sichern. In Elnesvågen an einer Shell – Tanke gerate ich in ein sehr nettes Gespräch mit der Verkaufsdame. Während sie mir Pølse mit Bacon, einen heißen Kakao und „Aunt Mabels“ Muffins mit Schokostückchen zurecht macht, ist ruckzuck wieder eine halbe Stunde verplaudert. Sie gibt mir den Tip, mal in der Bücherei nach nem Rechenkasten zu fragen, wo man die Bilder sicher überspielt bekommt.
Nach der Stärkung verabschieden wir uns lachend und ich fahre zur Bücherei, gleich neben der Schule. Die hat aber noch zu und so nehme ich die nächste Tür, auf der „ABC“ draufsteht. Der Nachhilferaum. Ein verdutzter Blick des Nachzuhelfenden und eine kurze Erklärung der Lehrerin leiten mich zum Nebengebäude. Die Schule. Ich spreche vorsichtig die erste Schülerin an, die ich im Foyer sitzen sehe. Sie findet mein Begehr wohl lustig und bringt mich lächelnd zum Sekretariat, wo ich abermals Rede und Antwort stehe. Eine Lehrerin nimmt mich interessiert ins Schlepptau durchs Gängelabyrinth der sehr künstlerisch gestalteten, innen bunten Schule. In einem kleinen Raum voller kaputter PCs wird mir geholfen. Ein junger Kerl nimmt meine Karten an sich und packt alle Bilder schön auf eine leere, neue Karte. Während der Rechner meine Bilder sichert, reden wir über deutsche Autos . Verwundert ist er, als ich auf seine Frage meines deutschen Lieblingsautos mit „ 81´er Ford Taunus Kombi“ antworte. Er mag Audi am meisten hält aber weniger von Opel. So, alle Bilder sind nun doppelt vorhanden und nichts ist verloren gegangen. Ich freue mich, er sich auch. Nach einem Händedruck und „Gute Reise!“, finde ich mich aus der Schule wieder heraus und fahre erleichtert weiter.
Es geht straff Richtung Atlantik. Ah, Meer liegt in der Luft. Ab dem kleinen Örtchen Bud schlängelt sich die Straße mehr oder weniger direkt am Atlantik entlang. Highlight hier für mich ist ein Aussichtspunkt, der nur durch „The Ford – Country“, einen schrottplatzartigen Autofriedhof für die verschiedensten Ford – Modelle von alten Ami´s über Taunus – Badewanne, Weltkugel – Taunus, Granada und einen mattschwarzen Vorkriegs – BMW – Hotrod – Pickupumbau mit Sheriffstern zu erreichen ist. Natürlich zieht mich das Meer an, wie die Mücken das Licht. Es ist sagenhaft. Diese Stille. Wiedermal keine Leute, nur Meer, AWO , frische Luft. Bei dem klaren Wetter kann man zig Kilometer weit den Blick schweifen lassen.
Bist du in den Bergen und endlich oben, siehst du wieder nur Berge. Meer ist halt ……….. , aber weiter……. . Eines der wohl am meisten geknipsten Bauwerke Norwegens ist wohl diese, auf dem Atlanterhavsveien befindliche, imposant geschwungene Brücke, die sich wie eine große Welle förmlich aus dem Wasser hebt.
Auch ich mache meine Bilder. Eigentlich bewegt sich die Strasse ab hier brückenförmig hüpfend von einem Inselchen zum nächsten fort. Kann man irgendwie nicht anders beschreiben. Die See ist ruhig. Was wird wohl hier los sein, wenn die Wellen ein paar Meter hoch durch die Brücken und an die Straße kommen? Vor einem der tiefsten Tunnel der Welt ( es geht 250 m unter dem Meer durch, verdammt steil runter und auch wieder rauf; im 3. Gang mit Hängen und Würgen ) halte ich nochmal an einem Kreisverkehrähnlichen Parkplatz an.
Dort sind ein Haufen Kiddies unterwegs. Es dauert nicht lange und ein vielleicht 12 jähriger Junge spricht mich an. Erst auf norwegisch, dann, als ich mich auf englisch entschuldige nichts zu verstehen, in recht gutem englisch. Nach einer weiteren Minute ist die ganze Klasse um mich versammelt und wir unterhalten uns 4 sprachig, deutsch, englisch, norwegisch und mit Händen und Füßen. Ich habe die Idee, ein Bild zu machen und ein Mädel kommandiert in zackigem norwegisch innerhalb von Sekunden die gesamte Klasse samt Fahrrädern rechts und links neben mein(e) Gefährt(in). Das Bild wird schön. Ein kurzes Gespräch mit der rasch herbeigezerrten Lehrerin und wir machen aus, daß ich es via email an die Klasse schicke. Dann knattere ich, wie bisher immer nach nur einmal kicken ( bin begeistert ) los.
Die Tunnelmaut, die dort im Gegensatz zu Deutschland oftmals nur so lange erhoben wird, bis das Teil bezahlt ist, nimmt mir ein freundlicher Glatzkopf mit einem herrlichen Kaiser – Wilhelm – Bart ab. Er fragt wie alt mein Motorrad ist und ist entzückt über die „fiftiesix“, die er zur Antwort bekommt.
In Kristiansund ( Kristiansünn gesprochen ) tanke ich mal wieder. Schätze ich werde so bei um die 5 bis 6 l/100km rauskommen. Ein holländisches Ehepaar spricht mich an, freut sich über das Gespann und, daß ich exakt den selben Weg in anderer Richtung fahre wie sie. Nach der Freifjorddurchquerung, Maut zahlen und falsch über die schöne Brücke fahren, kehre ich wieder um, über die Bücke zurück. Ich hätte eigentlich müßen nochmal zahlen, aber der Herr winkt mich nach ein zwei erklärenden Worten, den richtigen Weg betreffend kostenlos durch.
Ein Hinweisschild, an dem ich kurz halte, um einem Afrikaner Feuer für seine Zigarette zu borgen sagt mir: E39 Richtung Trondheim links. Auf dieser Straße werde ich bis kurz vor Trondheim bleiben. Auf einer kurzen Fährüberfahrt erfahre ich von einem jungen Norweger, der für die Ölindustrie arbeitet, einige interessante Sachen. So z.B. daß die allermeisten Norweger vor lauter Scham wegen Breivik am liebsten im Boden versinken würden, daß seine Heimatstadt Ålesund vor vielen Jahren fast vollständig abgebrannt ist und durch Hilfslieferungen, die Kaiser Wilhelm veranlasste, komplett im Jugendstil wieder aufgebaut wurde. Auch, daß die Nazizeit eine der dunkelsten Zeiten in der Weltgeschichte war. Viele, besonders ältere Norweger werden sehr still, und wollen nicht darüber sprechen. Ich kann ihm nur uneingeschränkt Recht geben und in dieser Beziehung meine Scham ausdrücken. Und JA verdammt, es kommt auch heute noch gut an, sich für den schlimmsten weißen Abschaum deutscher Herkunft zu entschuldigen auch, wenns für manche schon ach so lang her ist !!!!!!!!
Er ist trotz seines jungen Alters sichtlich überrascht und erfreut. Umso herzlicher mit kräftigem Händedruck ist die Verabschiedung. Es folgt eine Fahrt entlang des Vinjefjords. Am Omnfjell fahre ich rechts vorbei. Ein wenig Müdigkeit schleicht herbei, springt auf ( bei 60 Sachen kein Problem ) und läßt erst wieder bei einem Halt an einer sehr schönen Raststätte mit Dachbegrünung und Currywurst mit heißem Kakao von mir ab.
Inzwischen habe ich meine, ab Kristiansund mindestens 5 mal an und wieder ausgezogenen Regensachen anbehalten. Ich empfinde es als schön, daß sich das Wetter endlich mal entscheiden konnte. Zwar für leichten Niesel aber DAS stört keinen großen Geist. Mich auch nicht. Ab Trondheim werde ich dann wieder mit eitel Sonnenschein belohnt. Achtung, der Sonnenbrannt schlägt hier schnell zu!
In Vikhammer, etwas hinter Trondheim am Strindfjord miete ich bei einer Dame mit Bonny Tyler – Stimme Hytta Nummer 15 für 450 NOK. Mit tollem Blick auf den Fjord. Meine Hüttennachbarn sind Fahrradfahrer aus Leipzig. Sie schaffen am Tag 80-100km… HIER….. Wahnsinn und Hut ab! Noch den täglichen Service an der AWO erledigt, dann lecker Fencheltee und SkinkeOst aus der „Zahnpastatube“. Viel brauche ich nicht.
Als Tagesabschluß gibt’s eine 15- minütige 4 – Minuten Dusche, weil der Chipautomat mich wohl nett findet. Mein Fazit bei einem Bildbandreifen Sonnenuntergang lautet: müßte ich jetzt wegen irgendeines Defektes oder etwas anderem heim, wäre ich nicht enttäuscht, denn knapp 3000 der schönsten Kilometer meines Lebens sind gefahren. Die bis jetzt gemachten Eindrücke bringen meinen Kopf schier zum überlaufen!
Technisches:
Zündung kontrolliert und etwas nachgestellt ( von kurz vor OT in Richtung erster ZP Marke ), Lichtmaschinenschraube ( die mit dem Linksgewinde) war locker … festgezogen, rote Leitung von Lichtmaschine hat irgendwo gescheuert und hatte kurz Masse, Ladekontrolle ging an … Kabel repariert und sorgfältiger verlegt
Tag 8
06.06.12 (449km) Start 6:00 Vikhammer, Steinkjer, Grong, Mosjoen, Leira
Der Tag beginnt, wie der vorige ausklang, nämlich mit herrlichem Sonnenschein. Auf dem Campingplatz schlafen alle noch und verpassen, wie die Natur erwacht. Ich schlage die große Richtung Narvik ein. Hier ist die Gegend weniger rau. Viel Landwirtschaft, was mich natürlich interessiert. Auch die Vegatation ist anders hier als bei uns.
Da es ein halbes Jahr nicht richtig hell wird muß sich die Natur in dem restlichen halben Jahr umso mehr beeilen. So hat das Gras eben nur die halbe Zeit wie bei uns zum wachsen. Dafür geht’s durch die hellen „Nächte“ aber doppelt so schnell.
Noch vor Steinkjer hab ich den 1. Kontakt mit der Polizei. Die fährt bestimmt 15 km hinter mir her. Hoffentlich ist das Licht an und ich fahre vorschriftsmäßig. Weil die sich so lange Zeit nehmen, kriege ich Bedenken. Dann fahren sie langsam neben mich. Jetzt winken sie mich raus, denke ich noch, aber nein, die beiden lächeln freundlich und winken mir zu. Also keine Angst 🙂
Lange Zeit zieht sich die E6 an einem See entlang. Heute hab ich mal wieder Mukke im Ohr. Ein hörenswertes potpourrie aus Guano Apes, Manowar, Tarja Turunen, Ramones und Anne Clark läßt die Kilometer schrumpfen.
In Grong tanke ich. Wenn man den Schildern glauben darf, ist hier ein guter Platz zum Angeln. Aus der Tanke kommt ein Typ mit nem Softeis und obwohl mir nicht gerade mollig ist, leckerts mich unheimlich. Ich zahle das Benzin, nehme noch zwei Äpfel (40NOK) und bestelle so ein Eis. DAS war das leckerste Softeis, das ich während der ganzen Reise gegessen hab! Fast hätte ich mir noch eins geholt, aber das trägt ja auch nicht gerade zum innerlichen warm werden bei. Die einheimischen laufen hier trotz der frischen Temperaturen kurzärmelig herum.
Unterwegs sehe ich eine Herde Rentiere, die erst neugierig guckt, mir dann langsam den Hintern zu dreht und im Gebüsch verschwindet. Mein Foto „Rentierherde mit AWO“ hab ich im Kasten. An der nächsten Tankstelle braucht nicht die AWO schon wieder Kraftstoff, sondern ich. Einen Redbull bitte. Tusen takk! Dort spricht mich ein Trucker an. Es folgt ein sehr netter Small Talk mit dem wichtigen Hinweis, ich solle unbedingt die RV17 Richtung Bodö nehmen. Im nachhinen war das einer der besten Tipps ! In Mosjoen tanke ich bei strömendem Regen an einer unüberdachten Tanke, biege anschließen falsch ab und fahre fast bis Aufles in die falsche Richtung. Egal, Wetter ist tolles schottisches ( der Regen fällt fast lotrecht ; passendes Zitat aus Braveheart ), also machen die paar Kilometer mehr auch nichts. Wieder in die richtige Richtung unterwegs biege ich in Kulstad auf die RV 78 ab, Ein braunes Schild macht mich schlauer. Helgeland Kystvegen steht da zu lesen. Und der Name kommt nicht von ungefähr. Es ist wirklich toll zu fahren, kurvenreich, absolut unlangweilige Aussichten und die ab und zu durchblinzelnde Sonne bringt ein faszinierendes Lichtspiel auf dem Vefsnfjord, so daß meine Müdigkeit wieder verfliegt.
Irgendwo zwischen Remnes und Leira liegt „Kvitnesset Camping“. Es hängen zwei Schilder am Weg. Eines sagt „frei“, das zweite sagt „belegt“. Ich glaube dem ersten und fahre auf den Platz, wo die Hytten stehen. Es ist glaub ich nach 8:00 abends und keiner ist zu sehen. Eigentlich möchte ich hier bleiben. Da kommen vier Schweden vom Wasser herauf und wir kommen sehr schnell in ein sehr lustiges Gespräch. Sie haben heute gut gefischt und das hebt die Stimmung. Einer erklärt, daß alle Hyttas belegt sind, ruft aber gleich den Besitzer Reidar Eriksen an. Er kommt! Es stellt sich heraus, daß auch er Landwirt ist und wir die gleichen Traktoren (John Deere und MF ) haben.
Mein heimlicher Wunsch sich mal mit einheimischen Landwirten austauschen zu können, wird doch noch erfüllt. So vergessen wir die Frage der Unterkunft und widmen uns den Fachfragen. Nach einer ganzen Weile sagt er, er hat für mich bei seinem Kumpel 20km weg beim nächsten Campingplatz eine Hytta reservieren lassen. Ich meine nur, ich könne nicht mehr so weit fahren und vielleicht gibt’s noch ne andere Lösung. Er lacht und meint zum Scherz ich könne ja in der BBQ – Hütte schlafen. Dafür kann er selbstverständlich kein Geld verlangen und ich wäre der erste der dort schläft. Gerne nehme ich das Angebot an und wir verständigen uns auf nen kleinen Obolus fürs duschen. Die Hütte ist cool, mit Strom, Grill in der Mitte und Panoramablick auf den Fjord und die Hinterteile der „sieben Schwestern“ (eine Bergkette) ,wie er erklärt.
Die Schweden sind am Wasser, in einem kleinen Raum und filetieren dort den heutigen Fang. Dorsch. „Aah de tyske motorsykkelist“ , werde ich begrüßt, als ich mal neugierig bin. Von Rechts wegen darf jeder 15 kg mit heim nehmen. Aber dieses Jahr war der Fang „etwas“ reichhaltiger, sagt einer mir zuzwinkernd.
Als ich mich zurückziehen will, werde ich unverhofft noch zum Fisch essen eingeladen. Fangfrisch zubereitet mit Salz und Pfeffer, Kartoffeln, gebratenen Zwiebeln, heller Soße und Rotwein, sowie, was nie fehlen darf, Knäckebrot, Butter und Wasser. Wir essen und trinken zusammen. Es geht von einem Thema (alles in englisch) ins andere und die Stunden fliegen dahin. Als Delikatesse zum Nachtisch darf ich zwei Scheiben eines wie von selbst auf der Zunge zergehenden, sehr aromatischen Stückes geräucherten Fleisches probieren. Das Herz eines selbst erlegten Elchs, erklärt mir einer. Wirklich delikat. Wann kriegt man als gewöhnlicher „Außerirdischer“ schonmal sowas angeboten.
Die Zeit: es ist gefühlt nachmittags halb 6, tatsächlich bewegen wir uns straff auf 0:00 zu. Ich verabschiede mich unter vielen „Danke“ und zurückgegebenen Glückwünschen in meine Grillhütte. Keinen Bock mehr, den Schlafsack rauszuwühlen. Heute tuts auch das Schaffell und die ersten 3 Akkorde vom Album Machina the machines of god von den Smashing Pumpkins. Guts Nächtle!
Technisches:
Zündung wieder etwas später gestellt, da die Vibrationen vom Motor härter wurden, sämtliche Ölstände geprüft … ok
Tag 9
07.06.12 (338km ohne die Fährstrecke ) Start 7:00 Remnes, Levang, Nesna, Kilboghamn, Jektvika, RV17 bis Bodø, Moskens, Å
Ein verregneter Morgen. Nach einer kurzen, nicht all zu gemütlichen Nacht ( das Schaffell eignet sich doch besser zum sitzen als zum drauf schlafen ) freue ich mich dennoch über den tollen Panoramablick aus meinem Hüttchen heraus und schmeiße erstmal den Benzinkocher an. 1l Wasser ist in 3 – 4 min am kochen. Mein Emailletippel für IMNU ist in einer knappen Minute heiß. Nebenbei ist die Hütte auch mit warm geworden. Das Bild meiner Family kriegt heute seinen Ehrenplatz neben einer Kerze. Bevor heut die Reise wieder losgeht, noch ein paar Gedanken an die „daheimgebliebenen“, ohne die ich jetzt auch nicht hier wäre.
Wenn ich auf die Karte schaue, wird mir klar, heute ist der Fährentag. Die erste erwartet mich schon um 8:30 und irgendwie schaffe ich es ohne große Planspiele immer gerade richtig da zu sein. Nach 5 min schon öffnet der Kahn sein Maul und es wird eingestapelt.. Motorräder ( auch mit Beiwagen ) kommen in der Regel recht günstig mit, denn es geht nach Länge. Keine 20 Minuten und wir legen in Nesna wieder an.
Die RV 17 zieht sich nahe der Küste um die Fjorde herum. Auf dem Weg nach Norden sollte man, wenn man Zeit hat die RV17 der E6 unbedingt vorziehen. Es ist eine der schönsten in diesem Areal. Hätte ich den Tip eher bekommen, so wäre ich bereits in Grong abgebogen und eher der 17 gefolgt. So habe ich Brønnøysund knapp verfehlt. Dort gibt’s unter anderem den Torghatten, ein ungefähr 300m hohen Berg mit einem natürlichen Loch drin.
Unterwegs an einer Tankstelle gibt’s wieder nen heißen Kakao und ein nettes Gespräch mit dem Kassierer, dem ich mein Leid wegen der noch nicht vorhandenen MMS – Funktion meines Handtelefons ( Sonim Outdoor ) klage. Er sieht es sich staunend an und meint, so ein Teil hätte er noch nie gesehen. Gleich darauf nimmt er seinen Hörer in die Hand und ruft bei dem Anbieter an. Auf norwegisch erklärt er welches Gerät; was nicht geht und 5 min und einen Tastendruck später verrichtet mein Handy auch den MMS – Versand klaglos. Cool. Als ich gehe, spricht mich ein älterer Herr auf deutsch mit schönem Schweizer Akzent an. Er und seine Frau sind auch unterwegs zum Nordkap. Sein Sohn hat Skandinavien schon oft auch mit dem Motorrad bereist und ist der „Reiseleiter“. Nun möchte auch er noch einmal ans „Ende der Welt“. Nach einem netten Gespräch verabschieden wir uns mit „Auf Wiedersehen“, denn wir ahnen, das war nicht das letzte Mal.
In Kilboghamn hat die Fähre gerade abgelegt und so bleibt mir zirka eine dreiviertel Stunde Wartezeit. Es gibt einen Kiosk und ein Klo. Beides suche ich auf und im Warteraum sitzen …. die Schweizer und spielen Karten. Als der Kiosk öffnet, hole ich mir ein leckeres Daim – Eis mit Krokant und verwickle die, wie sich herausstellt polnische Dame, welche den Kiosk bedient, in ein Gespräch. Als ich erzähle, daß ich aus dem Dreiländereck bei Görlitz und Zittau komme, horcht sie auf, denn sie wohnte auf polnischer Seite ebenfalls nicht sehr weit entfernt. So wird es eine recht lustige Plauderei. Zwischen Wetter, polnischen Dieben und verschiedenen Mentalitäten innerhalb Norwegens verfliegt die Wartezeit, während ich durchs Fenster immer einen Blick auf meine Gutste hab. Gerade eben interessiert sich ein deutsches Pärchen, die aus einem „MOL“ – beschilderten Ford aussteigen, für die AWO. Noch 5min Zeit, auch dort ins Gespräch zu kommen. Die Fähre legt an und das Ent – und Beladen beginnt. Diesmal bekomme ich einen Gurt zum sichern der Maschine in die Hand gedrückt.
Die Überfahrt wird ca. eine Stunde dauern und wir werden den Polarkreis überqueren. Vom Schiff aufs Festland zu schauen, ist teilweise noch atemberaubender als anders herum. Der Wind ist sehr frisch, aber die Sonne lugt ein wenig hervor. Ein Schwarm Gänse zieht in militärischer Ordnung dicht über dem Wasser am Schiff vorbei. Ich hole mir ein Sandwich und ( nochmal ) ein Eis. Als ich noch nen Kakao bestellen will, erinnert mich die freundliche Bedienung höflich, daß wir in Kürze anlegen werden. Die Zeit ist verrannt wie nix und ich habe zu tun, mein Eis herunter zu schlingen. Schon ertönt die Aufforderung, sich zu den Fahrzeugen zu begeben.
Sandwich und Klamotten geschnappt und unter Deck. So schnell wie alle anderen Autos und LKWs raus sind, bin ich nicht fertig und schmeiße schnell alles auf den Beiwagen. Der „Entladungsbeauftragte“ hat ein Einsehen mit mir und wartet geduldig mit einem Lächeln. Kaum wieder auf festem Grund, kommen 2 ältere deutsche Herren aus dem Ruhrpott auf mich zu und texten auf mich ein. Ob ich schon beim Elefantentreffen war und dass der eine auch so eine ähnliche BMW hat. Ist ja ganz nett, aber ich bin noch voll mit dem entwirren und verstauen meiner eilig gerafften Sachen beschäftigt und , sorry, höre so nur halb hin. Der kleine Ort wo die Fähre anlegt, ist umrahmt von hohen Bergen und die hindurchführende Straße entsprechend „schlangenartig“. Rechts der RV17 erstreckt sich der Svartisen Nationalpark mit dem nach dem Jostedalsbreen zweitgrößten Inlandeis Norwegens. Eine der Gletscherzungen reicht, was eher ungewöhnlich ist, direkt bis in den Fjord. Man kann diese vom Schiff aus der Nähe besichtigen. Ich begnüge mich mit dem „Cinemascope – Format“ aus der Ferne. Die Straße trägt mich weiter Richtung Bodø. Die engste Stelle zwischen Salt – und Skjerstadfjord überspannt eine elegant gebogene Brücke, unter welcher der „Saltstraumen“- Gezeitenstrom hindurch fließt.
Dies ist der weltweit stärkste Gezeitenstrom. Hier spielt sich alle 6 Stunden ein besonderes Schauspiel ab, denn es fließen während eines einzigen Gezeitenwechsels bis zu 400 Millionen Kubikmeter Wasser hin und her. Es bilden sich richtige Strudel an den Rändern und das Wasser schießt mit bis zu 40 km/h da durch. Als ich die Brücke überquere, ist das Spektakel bereits abgeklungen und man sieht nur noch ganz leicht die Verwirbelungen. Bei Løding geht die RV17 in die 80 über und ich halte mich in Richtung Bodø. Das Fährterminal zu finden ist nicht schwierig, die Schilder eindeutig. Da ich ja etwas planlos bin, was die Fährzeiten anbetrifft, bin ich umso erfreuter, eine relativ große Ansammlung an Autos, LKWs und Bobilen ( norw. für Wohnmobil ) warten zusehen.
Ich treffe „alte“ Bekannte wieder. Das Pärchen aus dem brandenburgischen steht und wartet direkt vor mir. Abendbrot. Wir teilen unsere paar „Habseeligkeiten“; Astronautenkaviar gegen ein Paar Wiener mit Ketchup. Bald hält ein Wohnmobil aus Rügen hinter uns und nach 5 Minuten gibt’s die erste „größere“ deutschsprachige Zusammenkunft meiner bisherigen Reise in Skandinavien. Die Kassiererin kommt vorbei, um das Geld für die Überfahrt von uns abzuverlangen. So kriege ich live mit, wie das Pärchen nicht schlecht staunt, daß das Auto über 700 NOK kosten soll. Der Bobilfahrer kippt bei über 2000 NOK bald aus den Latschen und ich frohlocke bei einem zehntel des Preises für mich und meine „Old Lady“. Zu allem Überfluss darf/ soll ich mich ganz vorne vor allen anderen anstellen. Einmal pole position für die AWO.
Auf der Fähre ganz vorne rechts schnalle ich meine Gafährtin wieder fest. Und ab aufs Sonnendeck. Während der Überfahrt darf keiner auf dem Fahrzeugdeck sein. Jetzt hatte ich 4 Stunden chillen und eine Mütze voll Schlaf geplant. Es gibt aber viel zu viel zu erzählen mit den wieder getroffenen Schweizer Leuten und dem MOL – Pärchen.
Während des Ablegens aus dem Hafen stehen wir am Heck und schauen zu, wie sich das Festland langsam entfernt. Noch eine Kurve und dann geht’s los. Für Umweltschutzfanatiker müßen die schwarzen Abgaswolken, die beim hoch drehen der Maschinen aus beiden Schloten stoßen, eher nicht das Highlight der Reise sein. Man spürt förmlich die unheimliche Kraft, die das große Schiff immer schneller durch die ruhige See schiebt. Für mich Gänsekombi – Feeling. Bald sind wir auf offener See und recht schnell unterwegs. Ich hab mich in der Mitte hingesetzt und beobachte wie das Schiff leicht von Backbord nach Steuerbord hin und her rollt. Die meisten Menschen schauen kurz und verschwinden schnell wieder in der warmen Lounge. Das Festland und die Erhebungen an der Küste entlang, deren Spitzen durch eine tief hängende Wolkendecke verhüllt sind, werden kleiner. Ab und an schafft es ein Sonnenstrahl hindurch und gibt ein Schlaglicht auf einen der wie Wächter aufgereihten Berge.
Ich bin gleichzeitig aufgekratzt, geschafft durch die über 320 km, die heute hinter mir liegen und tiefenentspannt durch den sonoren Klang der Maschinen und … DAS NORDMEER… Gut, daß ich die Motorradklamotten an behalten hab. So halte ich es eine ganze Weile alleine an Deck aus und keiner behelligt mich mit meinen Gedanken. Als die Inselkette der Lofoten in Sicht kommt, füllt sich das Deck trotz eisigen Windes wieder. Kein Wunder. Was mir dazu einfällt: FAHRT SELBER DORTHIN UND MACHT DIE AUGEN AUF. Man ist eben einfach überwältigt. Die Mitternachtssonne ( die erste, die ich überhaupt in meinem Leben erblicke ) trägt ihren Teil zu diesem Spiel aus Wolken, Meer, Licht und Felsen bei. Grandios!
Sorry an der Stelle, wenn ich mal bissl zu sehr ins schwärmen gerate, aber ich hab das echt so empfunden. Das entladen dagegen ist wieder durch geschäftiges fuchteln und rangieren geprägt. Ich fahre als letzter raus, habe so diesmal genug Zeit um mich anzuziehen und ein Einweiser verabschiedet mich noch mit für diese Uhrzeit sehr nettem (das galt mir ) und anerkennenden ( das galt der AWO ) Lächeln und einer Hand zum Gruß. Es ist zwischen halb und um 12 nachts und trotz einiger Wolken so hell, daß man ohne Probleme ohne Blitz fotografieren kann. 2 Jungs, die vorbei kommen frage ich nach einer Unterkunft. Sie überlegen kurz, der eine holt ein Telefon raus und gibt mir eine Nummer von ihrem Kumpel, der im Restaurant Brygge in Å, dem Ort mit nur einem Buchstaben arbeitet.
Der ist tatsächlich um 0:00 noch zu erreichen und so bekomme ich für 600NOK ( Lofoten – Touristen – Sonderkondition ) eine sehr schöne, saubere Unterkunft im westlichsten Ort ( gut, die vorgelagerten Inseln mit z.B. Mosken, Væroy, Rost und Storfjellet gehören auch noch dazu ) der Lofoten in einem der dort typischen, Rorbu genannten , auf Pfählen stehenden Häusern. Die AWO darf direkt davor auf den Planken stehen. Vom Zimmer mit lichtundurchlässigen Gardinen und malerischer Aussicht auf den Bootshafen beobachte ich noch kurz, wie die Jungs, die mir bei der Zimmerfindung behilflich waren Fische sortieren und ausnehmen. Übrigens hatte ich hier das beste Bett der Reise. Hatte ich das irgendwo schonmal geschrieben? Kann sein. Das kann auch nochmal vorkommen, weil ich diesen Titel mehrmals hätte vergeben können! Da eigentlich ja schon Tag 10 angebrochen ist, verschiebe ich den Service am Motorrad auf den Morgen und schlafe nach einer warmen Dusche, einem Schluck Wasser und ein paar Bissen Brot selig ein. Hätte nicht gedacht, heute schon bis hierher zu kommen
Technisches:
leichtes klingeln beim Vollgas geben ( z.B. an Steigungen) … 98er Sprit und es hört sich besser an, Ventilspiel geprüft … ok, Motorenöl aufgefüllt … es ist jeden Tag wichtig, bei der Dauerbelastung für den Motor nachzusehen
Tag 10
08.06.12 (327km) Start 10:00 Å, Leknes, Svolvær, Bogen
Guten Morgen. Und es ist ein schöner, sonniger und frischer Morgen. Am Haus gegenüber nisten viele Möwen und das Gezeter ist nicht zu überhören. Die roten blauen, gelben und weißen Häuser mit meist weißen Fenster – und Türeinfassungen leuchten in der Sonne und heben sich wie bunte Farbkleckse von der Umgebung ab. Die Inselkette präsentiert sich heute von ihrer „sanften“ Seite. Ich mache den Service heute etwas auf dem Präsentierteller, direkt vor dem Restaurant und dessen Insassen. Die gucken belustigt, als ich den Benzinkocher anmache und mein Im Nu – Wasser erhitze, während ich Öl auffülle und Ventilspiel kontrolliere. Hier ist Obacht geboten, denn durch die Ritzen der Planken kann sich Werkzeug und Kleinteile schnell auf Nimmerwiedersehen nach unten verabschieden.
Passend zum Gezeter der Möwen gesellen sich die lauten Stimmen von deutschen Touris die nicht grüßen, die AWO aber „geil“ finden. Einer schalmeit seinen Freunden nach, sehr selbstsicher, auch mal etwas zu wissen: „Ey, das ist doch ne alte SIMMONS“. Aber wenigstens haben sie ihren Spaß … „Eat, Sleep, Go Fishing“ …
Die Lofoten sind eine der Regionen, in denen man besonders bei Kaiserwetter mit der AWO nur schwierig voran kommt. Einfach weil man überall anhalten MUSS!!! Es gibt einfach um jede Ecke eine neue „schönste Aussicht“. Nicht ohne Grund wollen auch hier alle hin. Vielleicht mehr wegen der fantastischen Landschaft als wegen des Geruchs. Überall hängen Fische zu Hunderten zum trocknen an hölzernen Gestellen. Tørrfisk (Stockfisch). Manch ein zartes Näschen wird sich wohl daran stören, ich finds passend. Heute im Einkaufsladen hab ich mir mal eine Packung zum probieren geholt. Schmeckt nicht übel und ist sehr gesund. Nur das essen ist etwas schwierig, weils hart ist.
Unterwegs mache ich Halt an einer Bucht mit richtig weißem Sandstrand. Zum Baden lädt die kalte Luft zwar nicht ein, aber für ein Foto reichts. Ich hatte mich auch in letzter Zeit über ein geringes kippeln des Beiwagens gewundert. Heute sehe ich die Ursache: der obere Befestigungspunkt des Beiwagens ist locker. Ein kurzer Halt an einem Bauernhof mit Milchvieh und dem größten Schlepper, den ich auf den ganzen Lofoten sehen konnte ( ein John Deere 6930 ähnlich meinem eigenen). Werkzeug raus, Auge festgezogen, Werkzeug rein, Foto machen. Weiter!
In einem größeren Ort ( ich bin nicht mehr sicher ob Leknes oder Svolvær ) hole ich mir in einem expert – Elektroladen einen Speicherstick und lasse mir gleich wieder alle Bilder sichern. Auf meine Frage, was ich für die Datensicherung schuldig bin, lächelt er und meint: „This service is for free.“ Dafür war der Stick ja teuer genug. Auf dem Parkplatz dann die erste Fehlzündung in Skandinavien. Zwei Frauen, die zufällig hinter mir entlang laufen: Schock! Zwei Männer, bei der Mittagspause, die am Eingang vor mir stehen: Freude und Daumen hoch. Ein kurzes „Sorry!“ zu den Damen und ich fahre los. Unterwegs mache heute mal ein kleines Mittagsschläfchen an einer Haltebucht zu Füßen des Møysalen Nationalparks. Ruck zuck bin ich weggenickt. Als die Sonne hinter einer Wolke verschwindet, wird’s etwas frischer um die Nase und ich werde munter. Eine halbe Stunde reicht und frisch geht’s weiter.
Es fährt sich gut heute, aber die Eindrücke der Lofoten, welche ich nun fast hinter mir lasse, tun das ihre und so ist die Müdigkeit bald wieder da. In Bogen, einem kleinen , direkt an der E10 und schön an einem Ausläufer des Ofotfjords gelegenen Örtchen fahre ich zunächst vorbei, weil ich keine Lust auf Hotel hab. Etwas weiter sehe ich dann ein im Umbau begriffenes ehemaliges Wirtshaus, an dem „Rom“ und „Hostel“ steht. Das passt mir besser. Vor dem Haus auf einer Bank sitzen 2 Männer und diskutieren angeregt.
Einer gibt sich schmunzelnd als Besitzer zu erkennen, um mir gleich einen Platz anzubieten. Ein paar Minuten später bin ich voll ins Gespräch integriert und meine Unterkunft ist zweitrangig, da er sowieso etwas frei hat. Es geht um norwegische Wasserkraft, deutschen Atomstrom, die verlogene Politik und was wäre, wenn alles zusammenbricht. Nebenbei zeigt er mir stolz seinen alten rostigen Bolinder – Munktell Traktor und berichtet, der Präsident vom „Rolling Anarchy“ – Motorradklub aus Moskau und seine Kumpels, die hier einmal übernachtet haben, hätten den Trekker toll gefunden. Da aber kein Logo mehr auf der Motorhaube war, haben sie einen Klubaufkleber an der Stelle draufgeklebt, als Erinnerung. Eine Stunde später ( gefühlte 10 min ) liegen meine Klamotten immer noch so herum, als wäre ich gerade erst angekommen. Nun aber fix, ehe der Einkaufsladen zu macht, etwas zu essen holen und Bargeld von der Minibank abheben. Er nimmt mich mit, wir einigen uns auf 350 NOK die Nacht und ich hole ihm das bare.
Ich kaufe besagten Tørrfisk zum probieren und 2 Flaschen Wasser. Er findet gut, daß ich den getrockneten Fisch genommen hab, lacht aber beim Wasser und meint, daß in Norwegen nur Touristen Wasser kaufen würden. Wieder zurück, bekomme ich mein Zimmer zugewiesen. Ein wirklich gemütliches kleines Räumchen mit Bett, knuffigem Ledersessel und Panoramablick ( Schon wieder? JA! Schön! ) auf den Fjord. Wenn man hier nicht die Seele baumeln lassen kann, wo dann?
Beim Abendbrot mit Tørrfisk, Kaviar, Kartoffelbrot, Tee und Butterkeksen bringt der Herr des Hauses die nächsten Gäste herein. Tschechen, hier Angelurlaub machen wollen, aber fälschlicherweise im „HOTEL Bogen“ Einlass begehrten. Dort wurden sie abgelehnt, ohne in Kenntnis gesetzt zu werden, daß es ja auch noch das „HOSTEL Bogen“ gibt. Ich höre, wie der Mann seinen Gästen erzählt, daß es auch hier im Fjord reiche Fischschwärme gäbe. Ein deutscher Tourist hätte eben erst gestern nahe der kleinen Insel Delphine gesehen und das wäre ein sicheres Zeichen für guten Fisch.
Die Tschechen sind sichtlich begeistert und machen gleich aus, auf dem Heimweg wieder vorbei und noch ein, zwei Tage länger zu bleiben, um hier zu fischen. Die Ruhe ist zwar durch meine, so glaube ich, feiernden tschechischen Nachbarn nicht mehr ganz so durchdringend, aber dennoch schlafe ich nach wenigen Takten „Schiller“ zufrieden ein.
Technisches:
oberes Befestigungsauge beim Beiwagen locker … festgezogen, Reifen hinten nimmt beachtlich schnell ab … weiterfahren und beobachten, eine Speiche vorn gebrochen, nur durch Ausfall des digitalen Tachos bemerkt, da ausgerechnet dort der Gebermagnet befestigt war … gewechselt ( eine von Bastis Speichen aus Danewitz 2011. Danke Basti! ), Öl
Tag 11
09.06.12 (380km) Start 6:25 Bogen, Setermoen, Olsborg, Nordkjosbotn, Tromsø, Nordkjosbotn, Skibotn
Dieser Morgen beginnt einmal völlig anders. Als ich los möchte, es ist kühl am Fjord und ich bin dick eingemummelt, will SIE nicht. Ich trete und trete, aber außer ein paar kurzen Zündungen passiert nichts. Na doch, sie säuft ab. Werkzeug raus holen? Kerze trocknen? Boah ist das warm hier am Fjord… keine Lust… will los. Also anschieben.
Die Straße geht bergab, aber bis zur Straße ist noch ein Stück und das geht nicht bergab. Ich dampfe jetzt schon. Endlich auf der Straße, anschieben … sofort läuft sie; drauf geschwungen und weiter. Ich merke schon, wie ich innerlich schmelze. Nach vielleicht 3 km halte ich an und MUSS mich ausziehen.
Merke: Kerzenschlüssel immer griffbereit halten. Anschieben ist auch sonst nicht gut für den Antrieb. Außerdem ist man ja im Urlaub und nicht auf der Flucht.
„Blöder Heini“, denke ich noch, über meine Faulheit erschüttert und mache zur Strafe eine extra lange Pause. Danach ist alles wieder ok. Die AWO springt wie gewohnt an und ich bin auch wieder „abgelüftet“. Nie wieder anschieben!?
An der nächsten Tankstation in Nordkjosbotn tanke ich, genehmige mir eine Käsebratwurst mit Schinken ( Pølse ) und frittierten Zwiebeln und frage nach einem Reifenladen in der Nähe. Die Verkäuferin meint, Tromsø. Upps, das liegt ja nicht gerade auf meinem Weg … aber … wir haben ja Zeit. Also auf nach Tromsø.
Der Weg dorthin ist gut ausgebaut und … hatte ich schon erwähnt, daß die Natur umwerfend schön ist … bis Tromsø sind es trotzdem an die 70 km. Schon von weitem sieht man die schmale, stelzbeinige Brücke, welche die Innenstadt und das Festland verbindet. Davor steht wie ein verkehrt herum in den Boden gesteckter Eiszapfen die Eismeerkathedrale. Diese umrunde ich, aber ein paar verwundert drein blickende Passanten machen mich stutzig. Oje, in eine gesperrte Straße hinein gefahren, Sorry. Noch schnell ein Bild: „Eiszapfenkathedrale mit AWO“ und schwupp, über die Brücke in die City. Dort pulsiert das Leben.
Einen jungen Mann an der Tankstelle spreche ich wegen eines Reifenladens an. Er zeigt mir auf der Karte ein Geschäft und auch einen „Motorradclub“, meint aber auch, es könne Samstag Nachmittag schwierig werden, weil alle Geschäfte geschlossen hätten. Ich versuche, mich durch die Stadt zu schlängeln und fahre durch die zweite Verbindung zum Festland. Wenn es keine Brücke ist, was kanns in Norwegen sonst sein, als … EIN TUNNEL … . Der „Motorradclub“ befindet sich in Sichtweite der Eismeerkathedrale und entpuppt sich als wahrscheinlich nördlichster Außenposten der „Hells Angels“ .
Die Tür ist zu. Vorsichtig 😉 drücke ich die Klingel und es öffnet ein langhaariger Kerl mit Brille die Tür. Ich erzähle ihm von meinem Reifenproblem und er schaut sich interessiert die AWO an. Kurz entschlossen nimmt er mich mit rein und kocht mir einen Kaffee, während er für mich mit Hinz und Kunz wegen eines passendes Pneus telefoniert. Nach ca. einer halben Stunde gibt er auf, entschuldigt sich und meint, es wäre Samstag Nachmittag und hier wäre da eben alles schon geschlossen. Ich bringe meinen Dank zum Ausdruck und verabschiede mich. Er wünscht mir noch ne gute Reise und schließt hinter mir wieder ab, wegen der Polizei, wie er meint.
Bisher bin ich ja fast keinen Weg doppelt gefahren. Die knapp 70 km zurück nach Nordkjosbotn sind zwar die gleiche Strecke, nur kommt es einem vor, als ob man noch nie da lang gefahren wäre. Die Landschaft zeigt mir jetzt das Gesicht, was sonst nur mein Rücklicht zu sehen bekommt. Wieder in Nordkjosbotn, hole ich mir in dem Markt neben der Tankstelle etwas Seelennahrung; einen Energieriegel, einen Daim – Krokantriegel und einen Smoothie. Dann telefoniere ich mit Anja und den Kindern.
Zu Hause ist alles so weit in Ordnung. Bis auf ein paar Streitereien bei den Kindern geben sich doch alle Mühe, Frieden zu halten, wenn der Papa schon so lange weg sein muss. Anja zeigt zu Hause immer schön auf der Karte, wo ich gerade bin und Oma und Opa verfolgen alles im Atlas. Manchmal gibt sie mir auch dienliche Hinweise. So auf der RV17, als ich ohne Karte fuhr oder jetzt, dass ich von Tromsø mit der Fähre schneller über den Fjord gekommen wäre, als wieder die E8 zurück. Diese Art fernmündlicher Unterstützung finde ich sehr angenehm.
Auf der eingeschlagenen Route wird die E8 zur E6 und wir bewegen uns jetzt schon ganz schön weit nördlich. Noch ist nicht abzusehen, daß irgendwann die Straßen nur noch wieder herunter gen Süden führen und … ich finde das fabelhaft. … .
Es geht entlang der Ostseite des Storfjords. Skibotn bietet mir wieder eine Möglichkeit, Benzin zu fassen, was ich auch tue. Meine Gedanken sind aber abgelenkt, weil sich genau gegenüber ein Hof befindet, wo ein Bauer Heu aus der Scheune holt und in eine Presse gabelt. Da ich auf Grund meiner Reise ( die Zeit kleine Bündel zu pressen war zu knapp ) dieses „stationäre“ System zu Hause auch einsetzen möchte, mache ich kehrt und fahre auf der gegenüberliegenden Seite in die Hofeinfahrt. Jetzt halte ich auch noch die Leute von ihrer Arbeit ab. Sowas!
Der Mann ist schätzungsweise Mitte bis Ende 50, sehr nett, kann gut englisch, macht gleich die Maschine aus und wir kommen schnell in Fachgespräche. Seine Frau guckt um die Scheunenecke, wer zu Besuch ist und kommt kurz darauf mit ihrer Schwägerin wieder. Diese meint, ich solle ihr mit dem Motorrad folgen und mit zum Kaffee kommen. Ich bin etwas verunsichert und fahre langsam hinterher.
Sie stellt sich als Anny vor und ruft auch ihren Mann Oddmund herbei. Sogleich gibt’s wieder viel zu erzählen und bald ist auch der Kaffee fertig. Es stehen noch so einige andere lokale Leckereien auf dem Tisch. Eine Art Knäckebrot, Moltebeerenmarmelade und Brunost. Das ist ein süßlich schmeckender Käse, von dem Anny sagt sie würden selten ohne dieses „Zeug“ verreisen. Ich solle doch zugreifen, nach der langen Reise. Das Häuschen ist wirklich schön und gemütlich. Rasch sind zwei Stunden verquatscht und sie wollten doch noch etwas tun. Natürlich wäre es jetzt zu spät zum weiter fahren und ich könne hier natürlich übernachten. Anny möchte auf dem Grundstück Löcher mit Erde ausfüllen, damit die Wiese schön eben wird. Während ich ihr dabei helfe, schneidet Oddmund mit seinem mobilen Sägegatter Bretter für die Sanierung einer alten Hütte zurecht. Sie sagt noch, sie müßte mich für meine Arbeit bezahlen. Als ich meine, soweit würde es noch kommen, daß sie mich aufnehmen und noch dafür bezahlen, und wenn dem so wäre, müße ich sofort wieder aufbrechen, lacht sie nur. Thema abgehakt 🙂 .
Als die Arbeit geschafft ist, sehe ich mir das Sägegatter an und mache den täglichen AWO – Service. Anny geht das Abendbrot vorbereiten.
Wie ich meinen Wal möchte, fragt sie. Gegrillt oder mit heller Soße. Ehe ich etwas antworten kann meint sie, es würde einfach beides geben. „Da kannst du kosten, was besser schmeckt.“
Es gibt was? Wal? Hier werde ich völlig unaufgefordert eingeladen, darf übernachten, bekomme in Gesprächen so viele Informationen, wie ich kaum aufnehmen kann und werde auch noch mit lokalen Delikatessen verwöhnt? Das klingt alles wie ausgedacht, fühlt sich aber verdammt echt an!!! Wenn sich mir die Gedanken jetzt noch im Kopf drehen, kann ichs selber kaum glauben …
Jedenfalls gibt’s Wal mit Gemüse und roten Kartoffeln. Beide Zubereitungsformen sind äußerst lecker und völlig überraschend im Geschmack. Von Aussehen und Konsistenz her würde ich es zwischen Rind und Schwein einordnen und, obwohl es ein Säugetier ist kommt ein feiner Fischgeschmack durch. Alles in allem ein für mich einzigartiges Geschmackserlebnis. Preiselbeeren und Rotwein dürfen nicht fehlen.
Bei essen, trinken und unterhalten vergehen Stunden in Minuten. Auch sogenannte Tabuthemen wie Walfang und 2. Weltkrieg sprechen wir ganz normal an und es gibt keinerlei Irritationen, auch wenn ich zum Ausdruck bringe, dich es, wie die beiden übrigens auch, gut finde, daß Walfang strengstens reglementiert ist.
Ich erfahre auch, daß hier die finnische Kultur größeren Einfluß hat, weil vor langer Zeit in Finnland eine große Hungersnot herrschte und viele Finnen sich retteten, indem sie in Richtung Küste zogen.
Auch hier haben die Deutschen tiefe Narben hinterlassen. Es wurden ohne Gnade die Leute vertrieben oder umgebracht und alles Vieh getötet, sowie alle Häuser verbrannt und Bäume abgeholzt. Zweck dieser „Aktion“ sollte sein, den „feindlichen“ Truppen nichts als verbrannte Erde ohne Möglichkeit des Unterschlupfes, der Nahrungsbeschaffung oder etwa sogar des Zuspruches und der Hilfe der Bevölkerung zu hinterlassen. Es gibt hier hauch eine Passstraße, die „der Blutweg“ genannt wird. Sie wurde im Krieg durch die Nazis von Gefangenen errichten gelassen. Viele starben und wurden, weil die Erde gefroren war, unter der Straße verscharrt. Dieser Pfad dient heute dem Gedenken.
Tief bewegt hat mich auch, als Anny sichtlich bedrückt von einem Spaziergang auf diesem Weg erzählt. Sie sind sich sehr der Bedeutung um diesen Weg bewußt. Während sie gehen, bekommen sie von einem ihrer Kinder einen erschütternden Anruf. Sie werden informiert, daß ein Norweger namens Breivik in Oslo Gebäude in die Luft gejagt und sehr viele Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche gezielt ermordet hat, offensichtlich aus rassistischen Hintergründen. Sie kann nicht ausdrücken, was für Gefühle sie dort hatten, aber ich sehe es ihnen an und schweige auch.
Es gibt aber auch schöne Themen. Ich erzähle viel von der Landwirtschaft und der Familie.
Anny holt noch ein Buch heraus, in das ich etwas schreiben soll. Es ist spät, aber natürlich nicht dunkel geworden. Ich bedanke mich nochmals für die unglaubliche Gastfreundschaft und erzähle, daß wir zeitig aufbrechen wollen. Es folgt eine kurze Erklärung, wo ich alles mögliche zu essen fürs Frühstück finde und, daß sie die Tür offen lassen. Ich könne mich dann selbst kümmern. Abschließend gibt es noch eine Einladung, jederzeit wieder herkommen zu dürfen und Adressen und Telefonnummern werden getauscht. Sie unterschreiben noch auf meinem „Tour – T-Shirt“. Dann ziehe ich mich in die Hütte zurück. In meinem Tagebuch ist heute die Schrift recht unleserlich, weil ich gegen die zu fallenden Augen ankämpfe. Sollte ich besser morgens die Aufzeichnungen machen?
Technisches:
ein wenig Öl vom Entlüfterdrehschieber steht im Lichtmaschinendeckel … gereinigt, Luftfilter gereinigt und etwas eingeölt, Magnet gereinigt, Zündkerze gereinigt, vorn wieder eine Speiche gebrochen … gewechselt
Tag 12
10.06.12 (485km) Gesamtstrecke bis hierher: 4962km, Start 6:30 Skibotn, Sørstraumen, Alta, Hammerfest
Gemütlich geht’s los. Heute hab ich die Ruhe weg. Erstmal schön frühstücken, waschen, Zähne putzen usw. . Dann packe ich alles zusammen und fahre „leise“ vom Hof .
Es war schön bei euch! Tusen Takk!
Heut fröstelt mich obwohl 8-10°C sind ein bisschen. Was steht heute auf dem Programm: fahren, fahren, fahren. Die E6 schlängelt sich an der Küste entlang. In Sørstraumen freue ich mich schon auf einen Tankstopp mit Kakao. Der Kakao muß aber ausfallen, da der Laden geschlossen hat. Also gibts Automatenbenzin und ein paar leckere runde Wikana – Butterkekse (die leckersten die ich kenne), welche Lukas mir von seinem eigenen Taschengeld gekauft und „für schlechte Zeiten“ mitgegeben hat.
Das Dorf besteht aus wenigen, verstreut liegenden Häusern. Aus einem in der Nähe kommt ein großer weißer Hund auf mich zu. Erst schnuppert er an der AWO, kommt dann aber doch zu mir und wir knuddeln eine Weile. Ob er mich versteht, wenn ich deutsch mit ihm rede, weiß ich nicht.
Als ich wieder den Helm aufsetze und noch schnell mein Benzinbuch einschreibe ( 10,1 l bei 4655 km ) trottet er wieder von dannen.
Irgendwo zwischen Sørstraumen und Alta mache ich bei einer Red Bull – Pause eine Entdeckung. Das Seitenwagenboot fängt hinten an der letzten Schraube mit der der Kotflügel befestigt ist an, zu reißen. Beim Schraubertag in Kamenz hatte ich bei einem Sportawogespann schon eine Verstrebung vom Bodenblech zum äußeren Ende des Kotflügels gesehen und wollte das noch bei mir anbauen. Aber, Kopp wie Sieb… vergessen. Und nun reißt es an der Stelle.
Ich wühle mein Werkzeug und die Ersatzteile nach irgendetwas durch und finde nur ein größeres Stück Flacheisen. Es ist meine selbst gebaute hintere Auspuffhalterung in extra schwerer Ausführung. Das wird doch nix, denke ich noch und halte mal aus Spaß und weil auch eh nix anderes da ist, das leicht gebogene Stück Eisen an die Stelle, wo es hin kommen soll. Mich trifft der Schlag. Das Teil passt !!!! Die Löcher, die Länge, die Biegung. Ich werd verrückt. Hätte ich ein Ersatzflacheisen für eben diese Kotflügelhalterung bauen müßen, hätte es genauso aussehen müßen. Ein kleiner Freudentanz bleibt nicht aus. Zufälle gibt’s, die gibt’s gar nicht. Dafür, daß ich eigentlich nichts dafür mit hatte, war die Reparaturdauer von 15 min inklusive Red Bull trinken, Sachen aus- und wieder einräumen und Freudentanz sehr angemessen.
Nächster Halt: Alta am Altafjord. Die größte Stadt im hohen Norden Norwegens. An einer Tankstelle rede ich mit einer Gruppe „Gummikuhfahrern“ deren Sprache bayrisch klingt und die etwas ungläubig meine „alte Dame“ beäugen. Sie kamen über Schweden hinauf und hatten mehrere Tage hintereinander Dauerregen. Ähnlich erging es ihnen am Kap; Nebel, 2 °C, Wind. Die Motivation hatte schon etwas nachgelassen und alle hoffen nun auf besseres Wetter und mehr Erlebnisse in Norge.
Ich ermuntere sie etwas mit guten Aussichten, wünsche gute Fahrt und sie summen davon.
Kurz darauf spricht mich ein Pärchen aus Holland an, das auch mit den Bikes hier ist und richtig Pech hatte. Bei der einen Maschine ist die Telegabel kaputt, bei der anderen der Reifen platt. Deshalb sind sie scharf auf meinen Ersatzreifen. Der passt nicht wirklich auf ihre Triumph und es ist wiedermal Sonntag und alle in Frage kommenden Läden haben geschlossen. So sitzen sie halt in Alta fest. Wir wünschen uns gegenseitig alles Gute und ich knatter los in Richtung Innenstadt. Hammerfest und das Nordkap sind ausgeschildert.
Die Stadt wird hinter uns kleiner und die Landschaft verändert ihr Gesicht. An dieser Stelle widerspreche ich allen, die sagen es wäre langweilig, öde und gäbe nichts zu sehen. Das verstehe ich nicht. Leute, dann setzt mal die Filzbrille ab! Auch diese Landschaft ist sehr reizvoll, allerdings auf ihre eigene, eisige Art. Man wird nicht mehr so von den Eindrücken erschlagen, muß mehr im Kleinen schauen, entdeckt dann dafür aber so manche Überraschung. Die Artenvielfalt hier ist erstaunlich, aber eben eine Dimension kleiner. Unterwegs halte ich an einer Hütte an, wo eine Frau mit zwei Hunden Rentierfelle und Souvenirs verkauft. Bis dahin hatte ich die Felle noch lebend in der Natur herum rennen gesehen und bin jetzt sehr positiv überrascht, wie warm und weich sich das anfühlt. Sie stammt aus Karasjok, erzählt mir mit Stolz, daß sie den Betrieb von ihrem Vater übernommen hat und die Felle von ihren eigenen Herden stammen und selbst gegerbt sind. Ein kleines Fell kostet um die 500 NOK, ein superschönes großes möchte sie mir nicht für unter 650 NOK überlassen. Leider habe ich viel zu wenig Bargeld dabei und bis Alta zurück und wieder hin ist auch eine Stunde weg. Wirklich Schade.
Hammerfest ist ein größerer Umweg. Als ich den etwas heruntergekommenen Hüttenpark sehe und bemerke, daß die ganze Stadt mehr oder weniger eine riesige Baustelle ist, bekomme ich meine Zweifel, obs die insgesamt 100 km Strecke mehr wert war. Ich tanke, fahre eine schmale Straße zwischen Wohnhäusern den Berg hinauf, bis es nicht weiter geht … und komme doch noch auf meine Kosten. Ein wundervoller Blick auf die Stadt, den Hafen und den Sørøysund mit der kleinen Insel Håja entschädigen mich für die „Extratour“. Ich verweile ein paar Minuten und lasse mir den Wind um die Ohren fegen.
Für einen kleinen Moment öffnet sich die Wolkendecke und läßt einen Strahl Sonnenlicht auf das leicht gekräuselte Wasser fallen. Zack, das schönste Bild von Hammerfest ist im Kasten und schon zieht es sich wieder zu. Durch Straßenbaustellen und viel Verkehr manövriere ich durch die „nördlichste Stadt“ Europas. Eigentlich wollte ich heute mal ein Hotelzimmer nehmen, doch mir kommt nichts in die Quere, was mir so auf Anhieb gefällt. Also verlasse ich die Stadt. An einem Eisbären aus Plastik wird die AWO nochmal schnell für ein Foto platziert. Beim nächsten Haus an dem „Rom“ steht, klingle ich, um nach Unterkunft zu fragen. Niemand ist da. Das Zelt ruft schon aus dem Beiwagen: „Nimm mich! Zelte mal wieder. Vor allem hier, so nördlich wie es kaum nördlicher geht!“ Tatsächlich finden wir ein schönes Plätzchen mit herrlichem Blick auf das Wasser, die Inseln und die schneebedeckten Spitzen der Berge.
Hach … Ja… richtige Entscheidung. In zweihundert Metern Entfernung verläuft die Straße. Knapp 1 km bis zur nächsten Hütte und 100m weiter weidet eine Herde Rentiere, neugierig näher kommend. An einer geraden Stelle schlage ich das Zelt auf und merke, daß ich heute ein Himmelbett haben werde. Das Zelt steht auf total dichtem, weichem, grünem Bewuchs. Das sieht saftig aus und ich glaube, die Rentiere fressen das gerne.
Das Zelt steht, die AWO hat ihre wohlverdiente tägliche Pflege, ist schon zugedeckt und schläft friedlich, so wie ich auch gleich. Der Benzinkocher gibt schon wohlige Wärme ab und wartet, daß ich den Tee ausgesucht habe. Thüringer 9-Kräuter muß es heute sein.
Plötzlich hupt es und ich sehe Leute aussteigen und winken. Als ich an näher komme, sind die Schweizer zu erkennen. Ich freue mich ehrlich. Unverhofft kommt oft. So was kann man nicht planen. Die Mutter des Fahrers ist begeisterte Ornithologin und erzählt, daß sie schon die verschiedensten Vögel beobachten konnte, die es in Mitteleuropa nur äußerst selten zu sehen gibt. Ihr Highlight auf der Reise, einen Gerfalken in seiner natürlichen Umgebung vor das Fernglas zu bekommen. Etwas später verabschieden wir uns scherzhaft „vorläufig“. Mit Sicherheit trifft man sich nochmal. Der Tag klingt bei einem Emailletippel Tee und einem Dokumentarfilm ohne Sprecher über Nordnorwegen, der live direkt vor meinem Zelt und ohne Werbepause abgespielt wird, aus.
Technisches:
Beiwagenkotflügelhalterung am Boot gerissen … mit Ersatzauspuffhalterung sehr gut fest bekommen :-), Öl geprüft und aufgefüllt, ein paar Worte der Dankbarkeit gen AWO fürs bis hier her aus- und durchhalten
Tag 13
11.06.12 (228 km) Start 6:00 Hammerfest, Skaidi, Olderfjord, Honningsvåg, Nordkap, Skarsvåg
Der Nordkaptag bricht an. Tag 13 und ich mache mir beim Frühstück auf dem MP3 – Spieler aus dem Unheilig – Album „Große Freiheit“ den Titel 13 „Fernweh“ an. „Ferne Welt ich komme, ich kann deine Himmel sehn …“, singt der Graf. Ich sitze mittendrin und finde das Lied ultrapassend! Etwas aufgeregt bin ich schon, aber es liegen auch noch ein paar einzelne Kilometerchen hier und da herum, die bewältigt werden wollen. Der Kocher erledigt seinen Job wie immer ohne Mucken, nachdem ich gestern abend aus der AWO noch etwas Benzin abgezapft hatte. Danach das Standardprozedere. Waschen, Zähne putzen (das nördlichste Zähne putzen in freier Natur in meinem bisherigen Leben), Zelt abbauen und alles verstauen. Fertig. Los! Die Strecke zieht sich hin. Zunächst recht unspektakulär ( für norwegische Verhältnisse ), dann schlängelt sie sich teils gewagt an der Küste des Porsangerfjords entlang.
Mein Thermometer zeigt 8-12 °C und ich friere wie ein Schlosshund. Komisch, die 4°C auf dem Strynefjell haben mir doch auch nichts ausgemacht. Ignorieren, öfters mal anhalten und ein paar Liegestütze machen. Die so schon recht „übersichtlichen“ menschlichen Spuren werden hier noch sperlicher. Von Smørfjord bis Honningsvåg gibt es kaum 5 Dörfer. Zwischen Olderfjord und Honningsvåg sollte man auch nicht grade mit dem letzten Tropfen Benzin ohne Reserve unterwegs sein. Da das Kap auf der Insel Magerøya liegt, gab es bis vor einer Weile eine Fähre. Jetzt gibt es einen Tunnel. 6km lang, über 200m tief und mautpflichtig. In Honningsvåg das, seit es als Stadt anerkannt ist, die eigentlich nördlichste Stadt Europas ist wird, wie so oft, an einer Shell getankt. Es gibt endlich wieder Pølse mit Bacon und heißen Kakao zum durchwärmen.
Ready … Steady … Go! Auf zum Kap, in den Nebel. Kurz vor Skarsvåg fahre ich geradeaus, statt links abzubiegen. Ich lande in einer Sackgasse am Meer. Das kann nicht das Nordkap sein :-).
Auf dem Rückweg sehe ich vor dem kleinen, nett aussehenden „Nordkap Touristhotel“ einen Motorradfahrer an seiner BMW – Reisemaschine mit deutschem Nummernschild stehen und schwenke auf den Parkplatz ein. Er freut sich und erzählt, daß er sich vom Kap runterschleppen lassen mußte, weil seine Gummikuh nicht mehr anspringen wollte. Heute, am zweiten Tag hier ist das selbe Wetter. Ohne Aussicht, etwas am Kap zu sehen. So läßt er sich vom Hotelier in eine Halle schleppen. Dort wird er versuchen, den Fehler zu finden und zu beheben. Der Hotelmanager möchte gleich wissen, wo ich her komme und winkt ab, als ich „Hammerfest“ sage und meine erfolglose Suche nach einer Unterkunft, sowie die vielen Baustellen beschreibe. Er meint dazu nur: „Ich denke manchmal, die wollen dort gar keine Touristen, noch jemand anderen haben und unter sich bleiben.“ und schmunzelt. Ein Zimmer inkl. Frühstück und die Chance auf ein Abendbrot sichere ich mir gleich und verabschiede mich vorerst. Dem Biker wünsche ich viel Erfolg bei seiner Fehlersuche.
Von Skarsvåg aus sind es jetzt noch zirka 12 km bis an den Wendepunkt meiner Reise. Es geht fast die ganze Strecke bergan und quer über die Insel. Den Namen hat dieses Eiland nicht umsonst. „Mager“- øya. Sieht genauso aus, wie sie heißt. Kleine Seen zwischen Fels und Geröll, kein Baum, niedriges Gras, wieder Geröll und … hatte ich schon Geröll erwähnt?
Ab geschätzt 300m Höhe über NN verschwindet die Straße recht plötzlich in einer Nebelwand. Willkommen am Nordkap. Gerade fährt das Hinweisschild zum Kap Knivskjellodden, dem wirklich nördlichsten Punkt an uns vorbei. Gerade noch so erkannt in dieser Suppe. Also weit kanns nicht mehr sein. Die Spannung steigt. Aus dem weißen Nichts taucht das Mautterminal auf. Ein Ticket gilt 2 Tage. Der junge Mann ist begeistert von meiner Gutsten und da sowieso nichts los ist, quatschen wir eine ganze Weile. Nebenbei bemerkt er ( wenn ich ihn richtig verstanden hab ) seine Mutter hätte auch ein Motorrad mit den selben Tankemblemen, aber der Rahmen wäre anders. Das kann ja nur eine Touren-AWO sein. Dieses Gespräch hätte man noch vertiefen sollen. Ich frage noch, wie ich DIREKT zum Globus komme. „Normalerweise gar nicht“, meint er lächelnd, aber ich solle doch mal 10 m zurück rollen, die Busspur entlang fahren und kurz vor der Nordkaphalle rechts um das Gebäude herum fahren. Dann würde ich schon sehen. Thanks a lot!
Durch den Nebel sehe ich zwar nichts, aber finde meinen Weg und werde auch nicht behelligt. Hier ist top Wetter: 4°C, straffer Wind von der Seite und Nebel mit aktuell 5m Sicht. Also genau das richtige Wetter für Grog mit Glysantin. „Thats Norway“, denke ich und finde es total klasse, egal ob man was sieht oder nicht.
Ich postiere uns vor dem Globus und mir entfährt ein Freudenjauchzer: „YES“. Einer macht für mich das Beweisfoto. Dann spreche ich mit einem Fahrradfahrer, der es die über 3000km von Deutschland bis hier hoch geschafft hat. Wahnsinn!
Und ich?
Nordkap? Erreicht!
Wir haben es wirklich 5180km bis hier her super zusammen ausgehalten und technisch gab es nichts, was uns hätte stoppen können. Ein erhebender Moment, den ich erst in der Halle richtig realisiere. Auf der Treppe sitzend und draußen den Nebel beobachtend, führe ich ein sehr emotionales Telefonat mit zu Hause. Langsam realisiert man, daß es schon etwas ganz besonderes ist, nach dieser gewaltigen Strecke gesund hier stehen zu können. Jetzt geht’s ans schreiben. Viele Adressen sind abzuarbeiten und warten auf ein Zeichen. Nach über einer Stunde kommt der Fahrradfahrer wieder vorbei und freut sich, weil ich immer noch schreibe. Im Souvenirshop kaufe ich dann ein (Touristen-)Rentierfell, andere Mitbringsel für daheim und bringe gleich nicht ganz ohne Stolz den gekauften „Nordkap“ – Aufkleber am Beiwagen an. Ganz in Ruhe schaue ich mir den ganzen Komplex mit Kino, Restaurants, Museum etc. an, esse noch ein Eis und lasse beim Blick aus dem Fenster die Gedanken schweifen.
Mal sieht man gar nichts, dann klart es wieder auf und gibt den Blick bis zum Globus frei . Der Wind treibt immer neue Wolken und Nebelschwaden heran und am Fenster vorbei. Gestört werden meine Gedanken nur durch laut sprechende, etwas genervt aussehende Bustouristen. Zum Herkunftsland schweige ich. Nur soviel, es wird deutsch gesprochen… . Sie regen sich über eine nicht ganz volle Tasse Kaffee Latte auf und texten die wirklich sehr nette Bedienung zu, was das soll. Ich höre wieder WEG.
Ein paar erfroren aussehende Motorradfahrer treten durchs Portal in die Halle, sehen mich sitzen und sprechen mich direkt an. „Bist du das mit der AWO? Wir dachten schon, wir können heute den Tagestitel „ältestes Motorrad am Kap“ für uns verbuchen. Aber nee, wir kommen an und direkt am Eingang steht so ne alte Kiste!“ Sie lachen los. Es folgt der übliche nette Informationsaustausch und die beiden bringen ihre Verwunderung und Hochachtung dem durchhalten „der alten Kiste“ gegenüber zum Ausdruck.
Nachdem ich einige Stunden innen und außen verbracht habe und alle Briefe im Maul des roten nördlichsten Briefkastens Festlandeuropas gelandet sind, schicke ich mich an, wieder ins Tal hinab zu steigen. Doch gerade kommen einige Busse an und ich muß noch eine Weile deutschen und italienischen Touristen Rede und Antwort stehen.
Zwei Biker aus dem bayerischen kommen auch noch hinzu und auch hier gibt’s natürlich was zu quatschen. Ich erzähle von dem gestrandeten Gummikuhfahrer und seinem Problem. Die beiden gucken sich wissend an und meinen fast zugleich: „Hallgeber“ und „jaja die kochen alle nur mit Wasser“. Vom Gelände runter nehme ich den offiziellen Weg. Tschüß Nordkap! Es wars wert her zu kommen! Ungefähr auf halbem Weg nach unten gibt es einen Halteplatz, an dem man sich mit einem Rentier und einem Einheimischen zusammen knipsen lassen kann. Dieses „Event“ übergehe ich und fahre zum Hotel.
Es ist inzwischen Nachmittag. Der Mann an der Rezeption begrüßt mich fröhlich. Er läuft mit Gehhilfen; ein Schneemobilunfall. Wir unterhalten uns und ich checke für eine Nacht ein.
Vom anderen Motorradfahrer ist noch nichts zu sehen, er bastelt immer noch. Nachdem ich meine Sachen verstaut, die AWO klar gemacht und schön warm geduscht habe, geselle ich mich zu den anderen in die Lounge. Dort läuft gerade DMAX. Die Mythbusters testen gerade ob ein rotes Auto bei einem Unfall weniger Schäden aufweist, als ein weißes. Ein kleiner Junge guckt nur halb zu und freut sich wie die beiden wiedermal ein paar Autos schrotten, während er auf einem Ipad im Internet surft.
Das hier ist nicht das Ende der Welt. Es gibt sicher an einem entlegenen Ort im Brandenburgischen oder in Mc Pomm Stellen, an denen man um ein vielfaches mehr „offline“ ist, als hier. Eigentlich wollte ich auf den anderen Biker warten , damit wir hätten zusammen essen und noch bissl erzählen können. Aber keiner weiß, wann er fertig sein wird. So bestelle ich. „Was darfs denn sein?“, fragt die Köchin. „Was empfiehlt denn die Köchin?“, frage ich zurück. Sie antwortet mit dem typisch nordnorwegischen Charme, mit strenger Stimme und einem Zwinkern, daß sie natürlich das teuerste empfiehlt. „Ok“, zwinkere ich zurück, „aber dann was lokales“. Rentier mit Gemüse, Kartoffeln und Preiselbeeren plus ein Glas Rotwein. Wasser gibt’s soviel man möchte kostenlos dazu. Das Essen ist in kürzester Zeit zubereitet, schmeckt sehr vorzüglich ( besonders das sehr saftige Fleisch ) und ist für mich viel zuviel. Ich schlinge es nur noch aus Geiz rein und weils so lecker ist. Am Fenster sitzend genieße ich das Essen und bin neben der Familie der Kellnerin der einzige Gast. Ein Auto mit österreicher Kennzeichen fährt vorbei, kehrt um, die Leute steigen aus und kommen ins Restaurant. Sie setzen sich an den Nachbartisch und sind sich nicht einig, ob des Essens. Ich empfehle Rentier! Das nehmen sie auch und sind sehr zufrieden mit ihrer Wahl. Wir tauschen einige Gedanken aus. Sie wollen noch weiterfahren.
Nach einer Weile zahle ich ohne Witz 370 NOK für mein Essen. Dafür MUSS es einfach lecker gewesen sein! War es auch und es war um keine einzige Krone schade! Wir verabreden noch, daß ich früh zeitig losfahren werde. Sie bereiten mein Frühstück vor und bringen es noch auf mein Zimmer. Erst gegen 9 kommt der BMW – Fahrer ziemlich k.o. und dreckverschmiert aber mit einem grinsen auf dem Gesicht zurück. Auf dem Flur werden noch ein paar Worte gewechselt. Er hat den Fehler gefunden. Der Hallgeber. Ich schmunzle in mich hinein, erzähle ihm von den Leuten am Kap und daß sie die selbe Ferndiagnose gestellt hatten. Er sieht wirklich fertig aus und meint, morgen früh erstmal richtig ausschlafen zu wollen. Wir wünschen uns erstmal eine geruhsame Nacht und morge gute Weiterreise. Ich ziehe mich zurück und gucke noch aus dem Fenster. Draußen fängt es an zu regnen. Das Bett ruft, im MP3 – Player wartet schon Toni Krahl und City mit „Unter der Haut“ auf Lautstärkestufe 3. Aaaaaaah …Absolut herrlich zum abschalten und in Gedanken nochmal über die Klippen zum Kap fliegen. Ich liege einfach da und bin selig.
Leute, macht sowas auch! Fahrt ( am besten mit der AWO ) an einen schönen Ort eurer Wahl und nehmt Eure Lieblingsmusik mit.
Technisches:
Ventilspiel geprüft … ok, Magnet geprüft … alles ok, Getriebe und Kardan etwas Öl aufgefüllt, bis hierher wurde 27 mal getankt 🙂
Tag 14
12.06.2012 (352km) Start 6:00 Skarsvåg, Nordkap, Lakselv, Karasjok, im Nirgendwo kurz vor Ivalo
Nach einer draußen regnerischen, drinnen traumlosen Nacht schaue ich aus dem Fenster und was sehen meine verschlafenen Augen? Frau Sonne gibt sich die Ehre. Eigentlich sollte mich mein Weg wieder weiter südlich bringen, aber vielleicht gebe ich dem Kap noch eine Chance? Erstmal wird in Ruhe gefrühstückt. Frisches Brot, Auflöseschokolade, Honig und einen komisch aussehenden sehr leckeren Käse. Doch die Sonnenstrahlen locken und ich beeile mich beim zusammenpacken.
Draußen realisiere ich erst, daß kein Wölkchen am Himmel ist und meine Freude steigt. Noch ein schnelles Foto. Motiv: AWO mit Nordkaphotel bei Sonne. Ich entdecke die Insel nochmal ganz neu und der Anblick ist ein komplett anderer, als am Tag zuvor. Die grauen Hänge schimmern plötzlich rötlich grün. Die grauen Seen scheinen über Nacht das graue Wasser gegen tiefblau wellendes getauscht zu haben und selbst die Steine sind nicht mehr alle nur grau, sondern leuchten aus dem erdfarbenen Untergrund hervor. Das Hinweisschild zum Kap Knivskjellodden ist nicht mehr nur ein rasch wieder im Nebel verschwindendes Etwas, sondern gibt die Zufahrt zu einem Wanderparkplatz frei, der auf einer Art Hochebene liegt. Selbst der wirklich nördlichste Punkt ist klar und deutlich zu sehen und hebt sich aus dem umgebenden Wasser hervor. Die Pforten zu Nordkap sind um die Uhrzeit noch geschlossen. Natürlich nehme ich wieder die Busspur. Auf dem offiziellen Touristenparkplatz sind auch ein paar Autos und Motorräder zu sehen. Zwei Moppedfahrer grüßen von weitem. Wir knattern ums Gebäude herum und … Ja ich will nicht meckern, bei Sonne ist es auch ganz gut.
Nein im Ernst, bei Sonne ist es, wenn man den Vergleich zu gestern hat, wie ein ganz anderer Platz an dem man sich befindet. Wer das Meer liebt, wird diese Aussicht nie mehr vergessen !
Sonne lacht, Blende acht, denke ich mir und mache viele wunderbare Fotos. Zwei Biker mit einer profimäßig aussehenden Kameraausrüstung, mit denen ich ins Gespräch komme versichern mir, erst vor ca. einer Stunde habe es aufgeklart. Sie hätten auf der Lauer nach dem perfekten Licht gelegen, waren um 12, um 2 und um 3 am Globus, aber es war nix zu machen. Keine Mitternachtssonne. Dafür aber jetzt eine ganz tolle Sicht und klarer Himmel. Ich bin irgendwie gerührt, daß ich das Nordkap auf zwei so verschiedene und schöne Arten erleben darf.
So denke ich an die vielen, etwas enttäuscht aussehenden Bustouristen, die gestern an den 2 Stunden Aufenthalt ihrer Meinung nach nichts gesehen haben, außer daß der Kaffee Latte zu wenig drin hatte und zu teuer war. Dabei finde ich auch heute in „einer anderen Welt“ wieder die gleiche Stelle mit den kleinen rosa Blümchen, die sich direkt am Abhang zwischen den Felsen ans Licht quetschen schöner, als das Glas und den Stahl des Gebäudes. Am Horizont ziehen Wolken heran. „In ein zwei Stunden kann hier schon wieder alles dicht sein. Gut, daß wir so früh los sind.“ , höre ich einen sagen. Das gleiche Gefühl hatte ich heute früh auch und muß wieder an den Motorradfahrer im Hotel denken. Hoffentlich schläft er nicht zu lange aus. Dann verpasst er auch an seinem 3. Tag hier die schöne Aussicht.
Nun gehts aber endgültig wieder in Richtung Süden, aber nur weils nach Norden nicht weiter geht. Wäre da eine Brücke, die 600 km Luftlinie bis Svalbard ( Spitzbergen ) wäre ich auch noch gefahren, das hätte jetzt auch keinen großen Unterschied mehr gemacht 😉 . Die See liegt da wie ein Spiegel und läd zum Steine „titschern“ ein. Bei wärmenden Sonnenstrahlen fahren wir die Küste entlang in Richtung Lappland. Eigentlich ist der ganze Norden Lappland, aber Karasjok, wohin meine große Richtung zielt, ist die „Hauptstadt“. Die erste größere Stadt ist Lakselv. Wenn man in die Stadt hineinfährt, sieht man zunächst gar keine Häuser. Alles ist zwischen vielem Grün und Bäumen eingebettet. Man sieht zwar Schilder, die auf dies und jenes hinweisen, aber erst im Zentrum wird es „stadtähnlich“. Tanken, Eis essen, Kakao. Mein Ritual ;-). Am Rande eines Gewerbegebietes fahre ich an einen Yamaha – Laden ran, aber die haben gar keine Reifen. Tja, Schneemobile brauchen das ja auch nicht. Auf dem Parkplatz steht ein wunderschöner orangener Gran Torino. Da stellen wir uns gleich daneben und machen ein Bild.
Es ist jetzt sehr warm und irgendwie ärgere ich mich, daß ich soviele Sachen anbehalten hab. Wieder anhalten. Gerade da klingelt das Telefon. Sorry Anja, der Anruf lief irgendwie nicht so gut. Ich liebe dich trotzdem!!! Bei Karasjok denke ich an die Rentierzüchterin aber ich hab ja mein Fell schon am Nordkap mitgenommen. So halte ich mich in Richtung Straße 92 und finnische Grenze.
Ich betrete wieder EU – Territorium. In Finnland gehen die Straßen wesentlich länger geradeaus, als in Norwegen. An einem schönen Halteplatz mit weiter Sicht über die sanften Hügel und den Wald gibts einen Red Bull, ein paar Minuten chillen und eine Begutachtung des Hinterreifens, der mir immer mehr Sorgen macht, Zwar ist noch nicht ganz „Glatze“ aber er reißt längs an manchen Stellen auf. Des weiteren entsteht hier eines der für mich schönsten Bilder der Reise. Es heißt „Zwiegespräch“ und zeigt, wie verbunden ich mich mittlerweile mit meiner Gefährtin fühle. Es sieht aus, als ob wir uns unterhalten.
Weiter geht es durch schier endlose Wälder in Richtung Ivalo. Ach ja, Finnland ist anders. Wenn man denkt, man könne aus den Worten, die da irgendwo an Schildern (außer Städtenamen) stehen, irgendeine Bedeutung ableiten, hat man sich aber geirrt. Worte mit Doppel – i oder Doppel – ö oder gar zweimal Doppel – i in einem Wort sind absolut normal. Ich glaube das Finnische ist noch vor Mandarin die schwierigste Sprache der Welt. Dafür braucht man das Geld nicht umzurechnen. Der Euro ist Landeswährung.
Ca. 30 km vor Ivalo entdecken wir einen schönen Camping – und Hüttenplatz. Die nette Dame in den Mittfünfzigern, mit Kopftuch empfängt mich an der Rezeption und ich miete eine Hütte mit Dusche. Als erstes schließe ich mich aus. Nach einem Lachen und der Übergabe des Generalschlüssels erzählt mir die Dame, was es mit dem kleinen Knöpfchen am Schloss zu tun hat. Aha, kapiert! Die Hütte ist nett eingerichtet, mit doppelter Tür und Fenstern, sowie mit Mückenschutzöffnungen. Zurzeit wird das noch nicht so gebraucht, aber ich denke noch 2 bis 3 Wochen und hier summt es in der Luft, so direkt am Wasser und dem Wald. Der Service an der AWO und das häusliche Einrichten sind heut schnell erledigt. Noch die Plane drüber, es sieht nicht nach Regen aus, aber sicher ist sicher. Nach einer erfrischenden Dusche gibts noch was zu essen. Als ich aus dem Fenster gucke, kommt ein ausgewachsenes Rentier, der Größe nach ein Bulle um die Ecke und mitten zwischen den Hütten durch, schrickt etwas vor der AWO und einem anderen Auto zurück und rennt weiter. Cool!
Technisches:
Magnet ausgebaut und Entlüftungsschieber begutachtet / gesäubert, Zündkerze geprüft … ok
Tag 15
13.06.12 (523km) Start 6:30 30km vor Ivalo, Ivalo, Rovaniemie, Aavasaksa
Ich hatte mich doch getäuscht. Denn in der Nacht hat es kräftig geregnet. Ein bisschen nieselt es immer noch. Gut, daß die AWO zugedeckt war. Nach dem „Ideal Standard“ – Frühstück sind schnell ( ja, so langsam kommt Routine in die täglichen Handgriffe ) alle Sachen zusammengeschnürt und es kann los gehen. Der Schlüssel landet wieder in der Box. Wie schon angedeutet, fährt es sich in Finnland anders. Viel geradeaus. Die Straßen sind durchaus passabel, wenn man nicht gerade mit Starrahmen unterwegs ist. Auch die Natur zeigt sich wandlungsfähig. Ist es bedeckt, sieht alles gleich aus, nämlich grau. Kommt aber die Sonne heraus, gibt es den „magic colour – effect“ und selbst die kleinste gerade geöffnete Birkenknospe prahlt mit sattem Grün.
Die Menschen hier sind freundlich, aber meiner Empfindung nach noch zurückhaltender gegenüber „Außerirdischen“ . Noch ein wichtiger Unterschied: an der Tanke gibts jetzt keine „ Aunt Mabels“ Muffins mit Schokostückchen mehr und der Kakao liegt in Tütchen da, oder wie daheim in der Blechdose. Man kann sich selber in die Tasse schaufeln und heißes Wasser drüber schütten. An einem Point – S Reifengeschäft gibts auch keinen passenden Reifen, ABER einen Hinweis, daß im Hauptlager in Rovaniemie etwas für mich liegt. Das passt ja, ich fahre da sowieso hin. Es ist noch ein Weg bis dahin, aber es wartet Hilfe.
Eigentlicher Grund des Weges in die größte Stadt Nordfinnlands ist ja der Weihnachtsmann. Denn der wohnt da und kann besucht werden. Als ich um drei ankomme, ist nur der Souvenirshop offen und er selber wahrscheinlich gerade am Nordpol. Außer ein paar japanischen Mädels, die Pic Pic Pictures machen und auch wegen der AWO belustigt sind, ist nix los. Und irgendwie will sich bei 20°C und Sonnenschein auch keine so rechte Weihnachtsstimmung bei mir einstellen. Also Good Bye Santa, Hello City.
Dort pulsiert wieder das Leben. Viele Läden, viele Leute, viel Verkehr. Haufenweise Straßen, deren Namen man als gewöhnlicher „Otto Normal – Tourist“ nur schwer über die Lippen bringt. Englisch funktioniert tadellos und so bekomme ich in einem Restaurant mit angeschlossener Tankstelle einen kostenlosen und sehr ausführlichen Stadtplan. Die Kassiererin bittet noch eine ältere Dame um Hilfe. Sie weiß, wo sich die Straße befindet und zusammen zeichnen sie mir den Weg ein. Ich bedanke mich recht herzlich, fahre nach „Plan“ und verfahre mich prompt, weil anscheinend auch manchmal Straßen über Parkplätze führen und man die Einfahrt leicht übersieht. Mein Fehler! Aber 10 vor 4 fahre ich auf den richtigen Shop zu und werde sogar noch kurz vor Arbeitsschluß bedient.
Genau 1 , in Worten EIN einziger Reifen 3,25×18 ist auf Lager. Michelin. Total egal. „Selbst aufziehen ?“, fragt der Verkäufer. Ich antworte zwar mit Ja, doch ich kann gar nicht so schnell gucken, da wird meine „alte Lady“ schon aufgebockt, Rad ab, Reifen runter, Reifen rauf… Mist; Reifen, falschrum … nochmal… . Trotzdem bin ich keine 20 Minuten und 88,00 Euro später wieder bereit für weitere 8000 km ;-). Auf jeden Fall bis heim! Ölwechsel wird auch gleich noch gemacht. Nachdem mich ein VW – Händler auf meine Frage hin, ob ich ihm ( natürlich gegen Bezahlung) meinen Liter Altöl überlassen kann, mit „Wir haben geschlossen!“ abblitzen läßt, werde ich beim Nachbarhändler (Hyundai) gern und sehr nett trotz Feierabend aufgenommen. Ein Montuer bringt mir gleich Pappe zum unterlegen und Saugtücher. Er weicht mir nicht von der Seite und wir unterhalten uns, als ob wir uns schon eine Weile kennen würden. Das Altöl nimmt er nur ohne Bezahlung, aber mit einem Lächeln an und macht sogar meine kleine Schüssel wieder blitzblank sauber. Viele Wünsche auf den Weg und die Fahrt geht „frisch geölt“ weiter. Wir verlassen die Großstadt in südlicher Richtung, nehmen dann aber eine etwas kleinere Straße (Nr.930), die sich sehr gut fährt. Auf der Karte sind zwar „ Orte“ eingezeichnet, doch davon sieht man abgesehen von Straßenschildern, die scheinbar in den Wald hinein zeigen, nicht viel.
Die Abendsonne, gibt nochmal alles, um mir die Fahrt so angenehm wie möglich zu gestalten. Das Grün ist fast so satt wie bei uns im Frühling. Die Bauern sind auf den Feldern beschäftigt, Ein schöner Kontrast zu der Tundralandschaft, die schon ein Stückchen hinter mir liegt. Dort war Landwirtschaft nun wirklich nicht mehr möglich. In Aavasaksa finde ich nach etwas durchfragen einen, auf einem knapp 300m hohen Hügel gelegenen Aussichtspunkt mit angeschlossenem Camping – und Hüttenplatz, sowie einem Skilift. Der junge Mann bietet mir sein bestes Haus an. Kamin, Sauna, Dusche, Sat – TV. Alles da und urst gemütlich. Was wird das wieder kosten? 50 Euro ruft er auf und ich bin positiv überrascht. Nehm ick! Die Sauna und der Fernseher bleiben zwar ungenutzt, aber nice to have. Mücken gibts hier gratis dazu.
Der Service ist heut, nur unterbrochen, um einmal komplett „Ballistol stichfrei“ aufzutragen, schnell erledigt. Da die heutige Tour sehr lang war, falle ich auch gleich ins Bett. Das wars für heute. Wir haben den Nordpolarkreis wieder in südlicher Richtung, dieses mal auf dem Landwege überquert und werden ihn (so hoffe ich) das nächste Mal mit meiner lieben Anja überschreiten.
Technisches:
Ölwechsel, Hinterrad Mantel gewechselt, Magnet und Kerze geprüft …ok, Zündung und Ventilspiel kontrolliert…ok, leichte metallische Geräusche … beobachten und weiterfahren
Tag 16
14.06.12 (349km) Start 6:30 Aavasaksa, Haparanda, Jävre
Aufwachen! Die Sonne lacht. Halb 5 pelle ich mich aus dem Bett. Es bricht ein herrlicher Tag an. Kein Wölkchen, ein blau, daß es fast weh tut und sehr angenehme Temperaturen warten nur darauf, den Tag zu einem wunderbaren Reisetag werden zu lassen. Ein Katzensprung bis zur schwedischen Grenze und über einen mächtigen, ruhig dahin strömenden Fluß. Der Tana ist in dieser Region der Grenzfluß zwischen Schweden und Finnland. Ihm folge ich in südlicher Richtung auf der schwedischen Seite. Trotz der Unaufgeregtheit, mit der die Wassermassen an uns vorbeiströmen, hat man den Eindruck, daß unheimliche Kraft unter der Oberfläche steckt. Ebenfalls wie auf einem Fluß lasse ich mich auf der E99 in Richtung Haparanda „treiben“.
Die Gemütlichkeit wird aber jäh unterbrochen, als ein Baustellenschild auftaucht und sowas wie „schlechte Straße“ verkündet. Schotterpiste wäre wohl das bessere Wort. 2 mal für jeweils 10km hoppelts nicht nur ganz schön, sondern ich werde auch noch von unten naß. Damit es nicht so staubt, haben die da irgenwelches Zeugs versprüht, das aber auch nicht wieder trocknet. Die ganze Karre, mich eingeschlossen, ist binnen weniger Minuten so verdreckt, wie auf der ganzen Fahrt bisher nicht .
In Haparanda tanke ich und kaufe Zahnpasta. Die andere liegt wohl behütet in Finnland in der ersten Hütte. Es sprechen mich gleich mehrere Leute an. Einer hat erst gestern den Motorradführerschein bestanden und findet jetzt wahrscheinlich jedes Bike toll. Er ruft gleich die gerade aussteigenden Polizisten herbei, ob sie so was schon mal gesehen hätten. Während ich mein leckeres Daim Pistazieneis (He, warum gibts das eigentlich nicht bei uns?) esse und mich mit den Polizisten unterhalte, ist gleich wieder eine halbe Stunde verquatscht. Verhaftet werde ich auch nicht. Hab ja den neuen Reifen drauf und Licht geht auch.
Wieder halte ich mich an der E4 in Richtung Umeå. In Raneå mache ich nochmal einen „Schlenker“ und fahre eine Route an einem Fluß entlang. Von weitem sieht dieser ja ganz gemächlich aus, aber als ich auf der Brücke stehe, sehe ich, daß die Strömung sehr stark ist. Es geht durch den Wald eine Schotterpiste entlang, Diese ist aber topfeben und fährt sich fast wie eine Asphaltstraße. Über Boden in Richtung Luleå halte ich schließlich wieder auf die E4 zu. Diese Straße fährt sich gut und ist fürs erste nicht so eintönig wie ich befürchtet hatte.
Die Sonne bringt wieder Farbe ins Spiel. Hier tut sich grün und gelb vor dem blau des Himmels besonders hervor. Da die Straßenführung sagen wir mal nicht so „schwierig“ ist, wie in Norwegen werde ich schneller müdiglich. Daher wähle ich meine Musik etwas „straffer“. Green Day, Bullet for my Valentine und die geliebten Guanos müßen wieder ran. Dann übermannt es mich doch und es gibt einen 15 minütigen 5 Minuten – Schlaf auf einer Wiese. Los hoch! AWO fahren! Sagt jemand … Klar gerne, nur die Augen müßen noch auf gehen. Ein paar Mal sehe ich mir unbekannte, taubengroße Vögel mit langen gebogenen Schnäbeln und braunem Gefieder am Straßenrand, die vom Geknatter hoch schrecken.
In Jävre schließlich suche ich mir eine Bleibe. An der Shelltanke direkt an der E4 ist auch gleichzeitig die Rezeption eines Hüttendorfes, Einer netten Frau mit flotter blonder Kurzhaarfrisur (ich glaube DAS könnte die typische Durchschnittsschwedin aus dem Fernsehen sein, wenn man auf solche Typisierung steht 😉 ) lege ich meinen „Hüttenwunsch“ dar und daß ich nur noch Dusche und Bett brauche. Sie hat ein Einsehen 😉 und nachdem 600SEK den Besitzer gewechselt haben, fahren wir zu dem Platz rund 300m von der Tankstelle entfernt. Mich erwartet eine sehr saubere Anlage mit neuwertigen Hütten und tadellosem Interieur samt Veranda, Dusche und Küche. Noch ein kurzer Plausch und sie fährt wieder zurück. Da ich heute etwas eher „Schluß“ gemacht habe, bleibt bei bestem Wetter genug Zeit, um dieses eklige salzig, klebrige Gelumpe von dieser Baustelle von AWO und Klamotten abzuwaschen. Ich bin ja nicht so der Putzfanatiker, aber das Zeug mußte runter. Wer weiß, sonst hätte das Aluminium vom Beiwagen vielleicht ein Loch gehabt, wenn ich zu Hause angekommen wäre.
Ja, was ist noch so passiert? Achso, die norwegische Telefonkarte ist runter. Aufladen geht hier in Schweden nicht ohne Weiteres und selbst der Aufladeservice geht nicht mehr anzurufen. Könnte ich gleich in die Ecke schmeißen…. ABER wir haben ja Urlaub und alle Zeit der Welt, etwas neues zu besorgen. Nun noch schnell unter die Dusche gesprungen und dann ist Feierabend.
Ein Zitronenmelisse – Teechen mache ich mir noch, haue mich hin und gucke den Kultfilm von den Wachowsky Brüdern. Animatrix. Laßt mal noch 50 Jahre vergehen und auch dieser „Science fiction“ – Anime wird so nahe an der Wirklichkeit sein, daß einem jetzt schon bei dem Gedanken daran die Gänsehaut den Nacken hochkriecht. Denn eigentlich wissen wir alle, der Mensch ist kein Säugetier. Seinem Verhalten nach ähnelt er eher einem Virus. Er zieht in (oder besetzt eine) bestimmte Region, verändert sie zu seinem (und nur seinem) Vorteil, beutet sie aus und wenn nix mehr zu holen ist, zieht er weiter.
CUT
Tut mir leid, bin abgeschweift. Zähle ja auch dazu und muß nicht den Apostel spielen, sondern mir selber an der Nase ziehen.
Technisches:
Kerze geprüft…ok, Dreck abgewaschen, mechanisch lauter werdender Motor (Beobachtung von gestern) ist unverändert. Tippe mit meiner wenigen Erfahrung darauf, daß der Kolben vielleicht etwas kippelt
Tag 17
(312km) Start 6:30 Jävre, Umeå, Hörnefoss, Norbyn Husum in Schweden
Der morgentliche Start gelingt mir um 6:30 bei Sonnenschein. Aber es zieht sich zu. Den Schlüssel gebe ich an der Tankstelle ab. Skelefteå lasse ich nach dem Kauf einer neuen schwedischen SIM – Karte hinter mir. Bin jetzt wieder zu erreichen. Eigentlich geht es immer geradeaus. Hinter Umeå, mache ich einen kleinen, aber schönen Abstecher an die Ostsee über Hörnefors und Norbyn. Es ist eine schöne Strecke im Grünen. Am Ende liegt ein kleiner Hafen mit Blick auf die See und die kleinen vorgelagerten Inseln. Im Dorf muß ich anhalten, weil mir ein „Fairlane“ Coupe ins Auge sticht. Ein kurzer Schwatz mit dem Besitzer und schon gehts weiter.
Gerade als ich mir anfangen will, eine Bleibe zu suchen, macht es laut Knack und der Beiwagen fängt an, zu schleifen. An der ersten Parkniesche ca. 50m weiter bleibe ich stehen, schiebe das Gespann in den Schatten und schaue nach. Bestimmt die Feder gebrochen. Doch mit nichten. Die vordere Beiwagenaufnahme ist gebrochen. Was nun? ADAC!
Aber halt, auf der anderen Seite der Straße sind doch Briefkästen, da müßen auch Leute wohnen. Vorsichtig überquere ich die E4 und bewege mich in Schleichfahrt einen kleinen Weg entlang. Da kommt mir ein Herr mit nem Cross-Moped entgegen, hält an und ich bitte um Hilfe. Er fängt an zu telefonieren. Kurze Zeit später kommt auch sein Bruder mit Frau herbei und alles wird begutachtet. Schließlich fahren wir noch 100m weiter bis zu seinem Hof und wollen das Boot reparieren. Die beiden dachten, die Aufnahme wäre, wie das Boot, aus Aluminium und deshalb hat Assar einen Verwandten angerufen, der Alu schweißen kann. In der Zwischenzeit räumen wir den Beiwagen aus. Alle sind belustigt über die vielen Sachen, die im Boot Platz hatten und nun überall rum stehen. Das Boot ist recht schnell demontiert und das kaputte Teil ausgebaut. Es ist aber kein Alu. Nur normales Blech. Ich sehe auch und bin erschrocken, daß 6 Speichen am Beiwagenrad gebrochen sind. Ich glaube nicht, daß die alle auf einmal kaputt gegangen sind und obwohl ich oft nachgeschaut habe, sind diese mir entgangen. Es war auch schlecht zu sehen, da die Köpfe alle auf der abgewandten Seite waren und die Speichen noch noch in ihrer Position hingen. Da kommt der „Aluschweißer“ im feinsten Zwirn mit dem Auto angebraust. Es ist mir peinlich, daß er extra von der Feier weg geholt wurde. Er meinte nur, daß das überhaupt gar kein Problem sei und man doch helfen müße. Da es aber nur „black iron“ sei, könne das Roland, Assars Bruder machen. Der war Berufsschweißer und kann das! Er selbst fährt aber nicht gleich wieder zu seiner Festivität zurück, sondern läßt sich noch in aller Ruhe über die AWO und meine Reise unterrichten. Rolands Frau hat sich einen Stuhl geholt und schaut dem Treiben zu. Bald ist das Teil geschweißt und „… müßte bis nach Hause halten…“, sagen die beiden. Also alles wieder zusammenschrauben und einräumen. Ich bedanke mich herzlich und sie lassen mich mit meinem Haufen Sachen alleine. Du kommst klar? Ja!
10min später kommt Assar aber wieder und sagt, ich müßte noch mit essen und „follow me“. Ich betrete aufs neue ein fremdes Haus, in das ich völlig ohne zu fragen eingeladen werde. Es ist sehr gemütlich und wir sitzen im Wintergarten. Zu essen gibts einen Auflauf mit Fisch und Kartoffeln, sowie Milch und Knäckebrot mit Butter. Alles ist sehr wohlschmeckend. Er versteht mich gut, kann aber selber nicht so gut englisch. Trotzdem ist eine Stunde schnell verquasselt. Er war auch mal Bauer und das ist ein gutes Thema. Später verabschieden wir uns und nachdem ich meine restlichen Sachen verstaut habe, geht es weiter. Tusen Takk Roland und Assar Eriksson.
So richtig Lust hab ich heute nicht mehr und mein Soll ist auch geschafft.
So nehme ich den nächsten Campingplatz dankbar an. Mosjön Camping bei Husum. Kaum abgestiegen spricht mich gleich ein Herr an und meint, daß alte Simsons sehr rar sind in ganz Skandinavien. WOW. Der erste auf der ganzen Tour, der meine Gefährtin bei ihrem richtigen Namen kennt und nennt. Das sage ich ihm auch freudig überrascht und er freut sich ebenso. Die Hütte ist mit 640 Kronen recht teuer und nicht gerade der Knaller. Ich hole noch Bettwäsche dazu. Das kostet nochmal 80 Kronen Aufpreis. Dusche, WC und Küchenzeile sind vorhanden, aber nicht allzu gemütlich. Zweckdienlich allemal. Der Boiler ist mit knapp 5 min warmem Wasser zum duschen auch nicht gerade überdimensioniert. Dann eben kalt. Das weckt die Lebensgeister und so finde ich nach AWO – Service und Abendbrot noch genug Kraft, um Tagebuch zu schreiben und nach Hause zu telefonieren.
Technisches
Beiwagenaufnahme gerissen … geschweißt, 6 Speichen am Beiwagen gewechselt, alle Speichen kontrolliert, Öl, Motorengeräusche unverändert, Anspring- und Fahrverhalten auch
Tag 18
16.06.12 (337km) Start 6:30 Husum, Sundsvall, Gnarp, Gränsfors, Bergsjö, Jättendal, Hudiksvall, Enånger
Nach einer gut durchschlafenen Nacht gehts am Morgen wieder wie gewohnt, ja schon fast routiniert los. Packen, in Ruhe essen, Zündung an und los tuckern. Der Hüttenschlüssel verschwindet in einem Loch am Rezeptionsgebäude und schon rollen wir wieder auf der E4 gen Süden nahe der Ostseeküste. Durch die Stadt Timrå hindurch stinkt es ziemlich eklig bei einer Fabrik. Später erfahre ich, das war eine Papierfabrik. Gleich darauf folgt Sundsvall. Für Sonnabend früh ist hier schon ganz schön viel Verkehr. An einer Shell freue ich mich schon auf heißen Kakao mit Milch, genehmige mir eine Rumkugel mit Haferflocken und packe Pistazienschnecken für unterwegs ein. Weiter gehts ohne, in Worten OHNE Vorkommnisse bis Gnarp.
Das kanns doch heute noch nicht gewesen sein! Die nächstbeste Ausfahrt nehmend, schlage ich mich „in die Büsche“. Mal sehen was es in Schweden außer der E4 als Mittel zum Zwecke des reisens noch so zu sehen gibt.
Kaum abgefahren kommt ein braunes Schild. Gränsfors Bruks Axe Museum steht zu lesen. Was für ein Zufall. Da geht man jahrelang mit einer legänderen Gränsfors Bruks Axt in den Wald und freut sich, daß sie wie Butter auch durch harte Äste geht und irgendwo in Schweden biegt man mal willkürlich ab und kommt direkt zu Fabrik und Museum. Schon im Ort realisiere ich, daß (wiedermal) Samstag ist und die Fabrik sowie das Museum geschlossen haben. Am Museum steckt der Schlüssel, aber es ist abgeschlossen. Beim Nachbarn frage ich nach und er holt sogleich seine Frau herbei. Sie winkt mich hinter sich her und meint sie habe auch den Schlüssel fürs Museum. Sie zeigt mir alles. Am Ende drückt sie mir noch „Das Buch der Äxte“ in Deutsch, mit Geschichten und Erklärungen rund um die Manufaktur kostenlos in die Hand.
Als ich schon los will, geht ein Mann ins andere Gebäude wo „Shop“ dransteht. Hat also doch etwas geöffnet, denke ich und laufe hinterher. Der Mann stellt sich als Australier vor und möchte die Äxte nach „Down Under“ importieren. Zusammen mit dem Verkäufer kommen wir 3 schnell ins Gespräch. Es geht um AWO, Äxte und ob es in Australien keine guten zu kaufen gäbe, so daß er dafür um die halbe Welt reisen müße 😉 . Ein Mitnimmsel für zu Hause ( handgeschmiedeter Kerzenständer) wird auch noch gekauft. Wieder am Gespann spricht mich ein älterer Herr in fließendem Deutsch an. Wir geraten in ein sehr interessantes Gespräch und es stellt sich heraus, daß er der ehemalige Besitzer der Fabrik und im Ruhestand ist. Er hat trotzdem noch ein wachsames Auge auf das Gelände, wohnt er doch gleich um die Ecke. Nach guten Wünschen auf meinen Weg verabschieden wir uns und weiter gehts.
Auf der E4 entgeht einem die wirkliche Schönheit Schwedens aber sowas von komplett!
20 oder auch 50km Umweg lohnen IMMER, Hier ziehen sich um diese Jahreszeit kilometerweit blühende Lupinenteppiche am Straßenrand entlang. Eine Augenweide! Ab Bergsjö halte ich mich auf der Straße 307 wieder Richtung „graues Band“ (E4) . Nach einer Weile fängt es ziemlich bindfädenartig an zu regnen. In Iggesund tanke ich und wundere mich noch, daß alle Campingplätze belegt und so viele Kinder unterwegs sind. Später stellt sich heraus, daß in der Nähe eine riesige Kinderfußballveranstaltung ist.
Mitten im Wald an der Straße steht ein Häuschen mit einer roten Anzeige. Ist das eine Waage? Warum auch immer diese dort steht, ich kehre um und fahre auf die Plattform. 480kg wiegen wir zusammen. Macht 400kg für das Gespann inkl. allem was mitfährt, exklusive mir 🙂 . Weiter geht es im Regen bis Enånger. Auf dem dortigen Campingplatz werde ich sehr freundlich empfangen, es ist aber „nur“ noch ein Stugor (Haus) frei. Das kostet 800Kronen und ist sehr schön. Hier käme es einem zu Gute, wenn man in der Gruppe reisen würde. Dann könnte man sich rein teilen. Aber der Gastgeber hat ein Einsehen und gibt mir wenigstens die Bettwäsche umsonst, anstatt 120 extra Kronen zu verlangen. Abendbrot gibts heute frisch zubereitet vom Campingplatzbesitzer. Flundra mit Mauke ( Kartoffelbrei ) und Gemüse plus Preiselbeeren. Dazu gibts Heidelbeersaft.
Eine junge Familie kommt auch noch. Sie haben die kleine Hütte gemietet. Sie ist Schwedin, er Engländer und gerade eben hat England bei der EM gegen Schweden verloren. Sie und die Tochter hielten zur schwedischen Mannschaft und er zu seinen Landsleuten. Zündstoff in der Family 😉 . Wir geraten in ein sehr angenehmes Gespräch und als ich meine guten Erfahrungen schildere ist sie sichtlich stolz auf ihre Landsleute. Wie überall gäbe es aber auch hier nicht so schöne Sachen, die ich ja aber nicht erleben mußte. Genau so wäre es in England, erzählt der Mann.
Je weiter man aufs Land hinaus kommt, umso herzlicher wird im allgemeinen der Umgang, Erst reserviert, doch wenn gespürt wird, man hat das Herz am rechten Fleck und verhält sich nicht wie die Axt im Walde, wird es umso freundschaftlicher. In der Stadt sind alle so „busy“. Beschäftigt; und am meisten mit sich selbst. Es ist schön hier und die Zeit vergeht. Die Kleine bekommt gerade ihre Waffeln mit Eis und Apfelmus. DAS leckert mich natürlich auch und so essen wir kurze Zeit später „stereo“. Das Mädel guckt erst verdutzt, warum auf einmal der „Fremde“ auch Waffeln mit Eis bestellt, freut sich dann aber, als sie sieht wie gut es mir schmeckt. Ich verabschiede mich einstweilen und gehe duschen. Diese befinden sich rustikal in einem ehemaligen Pferdestall sind aber super sauber und der Besitzer hat mich schon vorgewarnt, daß die ersten 3 min nur kaltes Wasser kommt . Als ich fertig bin, wartet die Familie schon. Sie wollen auch zu Bett und noch schnell Zähne putzen.
Nach einem sehr lieben Gespräch mit zu Hause (dort sind 27°C und Lukas mäht mit dem Trekker den Rasen) mache ich meine Aufzeichnungen und sinke in den Schlaf.
Technisches:
Speichen kontrolliert …ok, Ventilspiel kontrolliert … ok, Vergaserüberwurfmutter festgezogen, Rundumkontrolle auf Brüche, fehlende Schrauben etc….ok
Tag 19
17.06.12 (289km) Start 6:30 Enånger, Söderhamn, Gävle, Uppsala, Märsta
Start bei bedecktem Himmel. Es regnet aber nicht mehr. Mal sehen, was also der Tag bringt. Gleich biege ich falsch ab und darf zur „Strafe“ noch 20 km schöne Landstraße genießen. Bei Hagsta ist es mal wieder an der Zeit zu tanken. Diesmal gibts einen Apfel, heißen Kakao und ein nicht so ganz leckeres Würstchen. Die Verkaufsdame ist maximal 1,50m groß und schaut etwas bärbeißig drein. Nach meiner Bestellung und Bezahlung und noch ein paar Fragen zur Strecke schaut sie schon freundlicher aus. Es ist ja auch noch früh am Morgen.
Draußen spricht mich ein Mann an und verwickelt mich in ein Gespräch über die AWO und das Wetter. Es soll schlecht werden. Regen von Südwesten. Cool, da muß ich hin. Vorsorglich werden alle Regensachen angezogen, denn es kommen wirklich schwarze Wolken hinter den Bäumen hoch. Das tollste ist, ich hab vor zwei Tagen meine etwas regenfesteren Stiefel ganz unten ins Boot gestopft und muß nun diese schieten Überschuhe anziehen. Mir schwant schon, daß es mit den Dingern nicht lange gut gehen wird. Keine 10 min später fahre ich in den Regen. Nach 20 weiteren Minuten sind meine Schuhe trotz Überschuhen erst naß, dann Aquarien mit 2 mal 5 frierenden „Fischen“ darin. Handschuhe? Dito! Nach mehr als 170 km in feinstem Schottischen Regen ( fast lotrecht, Bindfäden, auf der Straße Blasen schlagend) hab ich keine Lust mehr und die „Fische“ in meinen 2 Aquarien sind ertrunken. Das nächste Hotel ist meins.
Im Arlanda Quality Hotel checke ich schließlich ein, nachdem ich vor dem Eingang des riesigen Komplexes mit angeschlossenem Shoppingcenter wütend meine schieten Überschuhe in die Tonne knalle. Mitleidige Blicke fliegen mir zu, als ich als näßester Deutscher des Tages mit komischen Geräuschen aus meinen Schuhen durchs Entre´ stapfe.
I´m looking for a warm dry place, please for me and my motorcycle. Der Mann an der Rezeption überreicht mir die Karte für Raum 605 und informiert mich, daß ich die AWO auf den gesicherten Gästeparkplatz im Keller fahren kann. Das tue ich als Erstes. Nach der Passage dreier Sicherheitstore steht meine Gutste sicher und trocken. Schön! Zimmer 605 hat fast alles, was ich heute noch brauche. Eins der tollsten Betten in denen ich je schlafen durfte, Klimaanlage, und Dusche. Was fehlt, ist ein 20 kW Baustellentrockner für meine Schuhe und Handschuhe. Obwohl die Regensachen wirklich sehr gut dicht gehalten haben. Die wichtigen Stellen am Körper sind gut geschützt, Auch die Kombi ist nicht naß.
Und nun? Die Schuhe hab ich ausgeschüttet und ans Fenster gestellt. Gummistiefel wären Klasse. Aber Sonntag? Mal schauen. Also nasse Schuhe wieder an und shopping.
Einkaufszettel: Gummistiefel, Zahnpasta, Zahnbürste, Süßigkeiten, Eis.
Ich nehme Sachen, die mir bekannt vorkommen, Sensodyne, Dr. Best . Die Zahnpasta heißt Pro Emalij . Das heißt Pro Zahnschmelz und erinnert mich an mein Emailletippel 🙂 . Eis? Yessssssss! Häagen Dasz. Problem ist, bei den großen Bechern ist kein Löffel dabei. Also nehme ich 4 kleine, denn da sind welche im Deckel. Süßigkeiten hole ich mir aus einer riesigen Wand mit den verschiedensten Köstlichkeiten. Cashewkerne mit weißer Schoki, Apfelstücken mit Vollmilchschoki und Zimt, sowie Himbeeren mit weißer Schoki. Wieder im Zimmer, schalte ich das erste Mal auf der ganzen Reise einen Fernseher selber an und gucke BBC World News. Dabei esse ich das Eis alles auf und werfe ein Paar Süßigkeiten ein. Das hab ich mir aber verdient 😉
Also „suhle“ ich mich ab halb 3 nachmittags im Bett rum. Zwischendurch schön warm duschen, chillen und …. chillen. Irgendwann schlafe ich total entspannt mit Mukke im Ohr ein. Wie kann man bei Transvision Vamp und VNV-Nation bloß einschlafen. Fragt jemand anderes! 🙂
Technisches:
Sichtprüfung rund ums Motorrad, Öl
Tag 20 und 21
18. und 19. 06. 2012 (1170km, in Worten: eintausendeinhundertsiebzig Kilometer ) Start: 6:30, Märsta, Stockholm, Nyköping, Norrköping, Linköping, Jönköping, Värnamo, Ljungby, Markaryd, Helsingborg, Malmö, Kopenhagen, Slagelse, Odense, Middelfart, Kolding, Padborg, Flensburg, Husum, Heide, Meldorf, Helse, Friedrichskoog Ankunft: 7:30
Wie der junge Morgen erwache ich und bin trotz der frühen Stunde schon fit. Im Erdgeschoß des Centers wartet seit 4 Uhr das Frühstück. In Nicki, Jeans und meinen stolz getragenen niegelnagelneuen Gummistiefeln 😉 hole ich Saft, Joghurt, Müsli und einen Apfel auf die Hand. Das reicht! Zurück in Zimmer 605 werden alle Sachen zusammengepackt und Ordnung gemacht.
Zahnpasta nicht vergessen? Check!
Nasse Socken, die aus dem Fenster baumeln geborgen? Check!
Alle Eisdosen im Papierkorb? Check!
Keine Süßigkeiten und Krümel mehr im Bett? Check!
Dann los!
Auschecken und durch die Sicherheitsschleusen wieder zurück zur AWO. Die noch dreiviertel nassen Schuhe hänge ich ins Ersatzrad und binde sie fest. Vielleicht trocknet der Fahrtwind sie ja. Nach weiteren 3 Sicherheitstüren wieder am Licht, tanken wir und stürzen uns volle Pulle mit 60 km/h 😉 ins Montagmorgengetümmel des Stockholmer Speckgürtels und der Hauptstadt.
Wenn man sich auf einer Reise befindet, bei der man an soviel Natur teilhaben durfte, sind Großstädte alle gleich „schön“ anzuschauen. Ausnahme für mich; Dresden. Vorsicht, Meinung des Autors ! Komisch ist aber schon, wenn man sich im Gespräch mit Leuten erklärt, scheint den meisten bei East Germany oder Saxony kein Licht aufzugehen. Sagt man aber „near Dresden“ weiß jeder, wo das ist und daß es eine wunderschöne Stadt ist. Ja sogar Görlitz ist bemerkenswerterweise selbst oberhalb des Polarkreises nicht unbekannt.
Wie dem auch sei, Stockholm wird also, wie die meisten anderen Großstädte, die ich während der Reise passiert habe und noch werde, einfach durchfahren. Ein „Stückchen“ weiter folgt eine Perle der Natur. Nein nicht das Bier! Der große Väternsee. Und er ist wirklich groß. Ich glaube der größte and dem wir vorbeigefahren sind. Zig Kilometer zieht die Straße am Ufer entlang. Bei tollstem „Nichtgummistiefelwetter“ mit blauem Himmel und Schäfchenwolken bei 20°C lassen wir uns, abgesehen von ein paar Päuschen, treiben. Heute läuft es richtig gut. Das Ausschlafen hat Wunder gewirkt. Mal sehen, wie weit wir kommen.
Helsingborg scheint ein gutes Ziel. In diese Richtung halte ich mich auch. Die Gedanken streichen schonmal ein paar hundert Kilometer voraus in Richtung Heimat. Alles geht heute wie von selbst und ich genieße nach dem Regen gestern jeden Kilometer mit Sonne. Selbst Porsches und riesige Volvos nehmen es mir nicht krumm, wenn sie auf der manchmal einspurigen Straße eine Weile hinter mir her „gurken“ müßen. Sie fahren einfach hinterher und wenns wieder zweispurig wird überholen sie gemächlich. Das ist hier eben so. Um Linköping herum säumen viele Flugzeuge den Straßenrand. Hier befinden sich die Saab – Flugzeugwerke.
Fast möchte sich ob des schönen Wetters meine Laune wieder eintrüben, hätte ich doch die Gummistiefel umsonst gekauft. Naja vor Regen schützen geht ja auch indirekt. Das Ziel des trockenbleibens wird auch bei Trockenheit erreicht 🙂 . Aber bald trübt es sich ein. Sie sollen ihre Chance bekommen, sich zu bewähren, denn bald regnet es richtig und lange.
Von einem Tankstop zum nächsten (ca. 200 km) schüttet es von oben und unten und ich gucke dauernd runter, wackle mit den warmen Zehen in trockenen Socken und freue mich wie ein kleines Kind, wie toll die Gummistiefel doch halten! Irgendwann ist auch die schönste Regenfahrt vorbei und wir nähern uns Helsingborg. Irgendwie ist die Luft noch nicht ganz raus heute, ein paar Kilometerchen könnten noch. Dann das Schild : „Malmö 40km“. Wie cool wäre das denn, die Brücke heute noch zu sehen, diesmal bei Sonnenuntergang. Soll es also weitergehen? JA ES SOLL !
Ab hier fahren wir die selbe Strecke wieder zurück. Bis Malmö kommt es uns wie ein Katzensprung vor und …. ach wenn wir schonmal da sind …. . Schon ist die Maut gezahlt und in der Abenddämmerung gehts hoch hinaus auf die Brücke. Bei ganz anderem Licht und mehr Wind. Herz, was willst du mehr? Natürlich das Meer !!! Geht klar, kommt sofort! DAS ist wieder ein Erlebnis der besonderen Art. Aber hier wird auch noch gearbeitet. Kurz vor dem dunkel werden wird hier noch mit mehreren großen Maschinen am Straßenrand Gras gemäht. Zurück zu dem Emotionen. Da sehr wenig Verkehr ist, kann ich auch schön langsam fahren und den Blick übers Wasser fliegen lassen. Die Sonne will sich hinter den Wolken, die über Dänemark hängen zur Ruhe begeben und läßt für wenige Minuten noch ihr Abendrot auf dem Öresund frei. Ich muß einfach anhalten und DAS aufnehmen ( nicht auf Digikam sondern auf einen wesentlich zuverlässigeren Speicher: Optik: Auge, Speichermedium: Kortex. ).
Recht schnell kommt jedoch die Wirklichkeit wieder und ich realisiere, es ist 1. hoch, 2. viel zu hoch für meinen Geschmack und 3. recht windig, was meine auf einmal recht wackeligen Beine nicht gerade standfester macht. Schnell wieder zum Gespann und weiter! Was man auf der Hinreise nicht gesehen hat, da man ja noch am Festland in ein Tunnel fuhr ist, daß die Brücke scheinbar im Meer endet. Also das Tunnel beginnt auf einer Insel. Wenn man in der Dämmerung über die Brücke fährt, sieht es so aus, als ob man ins Wasser abtaucht. Rechts liegt die Insel Saltholm. Diese wurde aus dem Abraum der Brücken- und Tunnelbaustelle aufgeschüttet und ist Schutzgebiet.
Noch vor dem Tunnel überholt mich sehr zügig ein Harleyfahrer mit deutschem Kennzeichen. Schon zum zweiten Mal der selbe. Das Tunnel entlässt uns kurz vor Kopenhagen wieder aus seiner Obhut. Der Himmel sieht auf einmal gefährlich nach Gewitter aus und es weht ein kräftiger Wind von rechts. Ich muß gegensteuern. Das macht die Fahrt nicht leichter. An einer Tankstelle gibts einen schnellen Red Bull, und ein paar Minuten verschnaufen. Eigentlich wollte ich mich nach einer Bleibe umsehen, aber es ist nun schon nachts halb zwölf und so richtig will sich die Lust, ein Hotel zu suchen oder ein Zelt aufzubauen nicht einstellen.
Gerade hab ich meine „Stärkung“ hinter geschüttet und will wieder los. Da sehe ich einen Biker an seiner Kiste schrauben. Ach der Harleyfahrer wieder! Ich frage ob Hilfe gebraucht wird. Ölverschmiert kommt er unter seiner Karre hervorgekrochen und sein Gesicht sagt mir: Ja! Hilfe wird gebraucht! Er hat ein Ölleck. WOW, das gibts auch bei anderen Maschinen? Und Öllecks sehen ja auch immer gleich katastrophal aus. Der gesamte Motorblock und das Getriebe, sowie das Hinterrad sind sehr gut „geschmiert“. Es dauert eine Weile bis wir den wunden Punkt gefunden haben. Hinter dem Ölfilter schlängelt sich ein kleines Röhrchen hinauf am Tank vorbei und endet an einem superwichtigen „High Performance“ – Öldruckmanometer. Das Röhrchen hatte sich in das Ölfiltergehäuse verliebt und sich an ihm aufgerieben. So lief das Öl am Filter herunter, tropfte auf den Motorblock und das Getriebe, von wo es sich schön gleichmäßig auf den Reifen verteilte. Lösung: Röhrchen blind machen!
Kurzerhand wird das Röhrchen vom Besitzer mittels eines chinesischen Seitenschneiders abgezwickt. Naja der Seitenschneider sieht eher nur so aus. Richtig müßte es Seitenquetscher heißen. Jedenfalls wird das Röhrchen mehr oder weniger abgerissen, umgebördelt und soll jetzt dicht sein. Ich melde Bedenken an, und zitiere den Mopedprinz . Öl hat einen spitzen Kopf und ist flüssig wie Wasser, wenns warm ist! Das umbördeln klappt natürlich nicht. Jetzt darf ich meine Variante probieren. Am hinteren Zylinderfuß ist das Röhrchen mit einer kleinen zölligen Überwurfmutter befestigt. Ich umwickle den Anfang des Röhrchens fest mit Teflonband aus meinem Repertoire und schraube das ganze wieder fest.
Vergnügt steht der glatzköpfige Endfünfziger neben mir und meint: „Da steh ich mitten in der Nacht irgendwo in Dänemark an einer Tankstelle und gucke zu, wie mir so ein Simsontyp, der es im Gegenteil zu mir mit seinem Alteisen bis zum Kap und wieder zurück geschafft hat, meine Harley wieder heil macht.“ Wir lachen beide herzlich. Meine Flickschusterei hält. Wir sind begeistert. Er läd mich noch auf nen Kaffee ein. Kaffee lehne ich ab, also muß es noch ein Redbull sein 🙂 ( der zweite innerhalb einer halben Stunde, wenn das nicht hilft … ). Wir unterhalten uns noch ganz freundschaftlich. Er erzählt von seinem Zünspulendefekt mit langer Wartezeit unterwegs und daß ihn oberhalb von Trondheim schon gefroren hat. Er hatte dann keine Lust mehr und ist umgekehrt. Ich schmunzle in mich hinein als er dramatisch von „einstelligen Temperaturen“ erzählt. Seine teuren Goretex – Wanderschuhe waren auch schon mehrmals abgesoffen und seine Harleykombi sieht auch schicker aus, als sie wärmt. Diese Erkenntnisse hat er mittlerweile selbst gesammelt. Er möchte am liebsten bis nach Hause durchfahren, will aber wenigstens noch eine Fähre in Puttgarden erwischen. Ob nachts halb 2 noch etwas fährt, bezweifle ich und schlage meine, ihm unbekannte Route über die Brücke als Alternative vor. Das ist ihm zu weit und so trennen sich wenige Minuten später nach einer sehr freundschaftlichen Verabschiedung unsere Wege wieder.
Aufgeputscht durch 2 Redbull und ein paar leckere Schnitten Brot und Kaviar stelle ich den Autopilot ein und wir schweben im Tiefflug durch die wolkenverhangene dänische Nacht, als ob die Kilometer nur Luft wären.
Paul van Dyk mit seinem Album „out there and back“ (^^ hin und wieder zurück) in Endlosschleife begleitet mich so sicher, wie schon im Jahre 2000, als wir mit dem Auto nachts durchgefahren sind. Anja neben mir seelenruhig schlafend mit unserem ältesten im Bäuchel. … Memories pur …
Bei Durst wird getrunken, bei Hunger gegessen. Wenn getankt werden muß gibts rechtzeitig Benzin. Werden die Augen schwer gibts einen Schluck Redbull und 25 Liegestütze in voller Montur. Kein Bock anzuhalten. Kein Bock zu schlafen. Nur Bock auf AWO fahren. Die Nacht vergeht wie im Flug.
Der Morgentau senkt sich herab und es ist, als führe man durch unsichtbaren Regen. Alles wird klamm, die Luft wird frisch und ab und zu fröstelt es mich ein bisschen. Liegestütze sind hier wieder das Mittel der Wahl. Allein durch Dänemark sicher über 100 🙂 . Die Sonne wirft einen ersten Strahl über den Horizont. Ein unglaublicher Anblick, wenn die morgentliche Welt vom Himmel her in rosarote Tücher gehüllt wird und die Nebelschleier den Wiesen schmeicheln. Soeben fahre ich an einer Herde Kühe vorbei. Die ersten haben sich schon aufgerappelt und grasen gemächlich. Die Kleinen dürfen noch ein bisschen dösen. Das alles bei diesem Licht. Noch jetzt beim schreiben bekomme ich Gänsehaut, wenn ich mich erinnere.
Aber upps, was ist das? Ein Schild. Flensborg nur noch 40 km. So heimlich es nur geht, hat sich schon die deutsche Grenze herbeigeschlichen. Ein letztes Mal tanke ich in Dänemark und …. kanns kaum glauben, daß wir schon HIER sind.
Im Morgengrauen überqueren wir die Grenze und gerade denke ich an das letzte Mal, als wir 2000 mit Anja diese Grenze in dieser Richtung um fast dieselbe Uhrzeit passiert haben. Das erste was uns damals wie ein Hammer auf den Kopf daran erinnerte in D zu sein, ist die Tatsache, daß es gleich alle wieder total eilig haben. Genauso geht es mir wieder. Soeben von der Autobahn runter sehe ich, wie ein popeliger 1,4 er Polo mit seinen Scheinwerfern an meinem Auspuff klebt und am liebsten schieben möchte.
Wenn ich nur eine einzige Sache von der Reise aussuchen müßte, die ich behalten dürfte, so wäre meine Bitte, für mich etwas von der innerlichen und äußerlichen Ruhe hinüberretten zu können. Das war auch meine leise Hoffnung, aber man kann sich selbst auch in solchen 3 Wochen wie ich erleben durfte nicht so wandeln und verfällt leider wieder schnell in den selben Trott, wie vorher.
Ich versuche, gelassen zu bleiben und es gelingt mir auch ansatzweise. Du bringst mich jetzt auch nicht mehr aus meinem seit über 8000 km bewährten Konzept. Bei der nächsten unpassenden Möglichkeit macht er einen auf Schumi und verheizt mich als gäbe es kein Morgen! Soll ich jetzt beeindruckt sein? Keine Zeit, muß weiter meine letzten Marathonkilometer genießen. Aber wenn jemand fragt, wie man am besten erkennt, daß man sich in Deutschland befindet, so weiß ich spätestens jetzt, das ist das Fahrverhalten.
Mein Herz klopft. Wir sind jetzt 24 Stunden unterwegs und 26 auf den Beinen. Die 1000 km Marke ist gefallen. Genau 1103 km von halb 7 bis wieder halb 7. Jetzt würden wir zwei sogar fast für die Iron Butt Association taugen. Die Sonne, Husum und Heide fliegen vorbei. Kein Halten mehr. Marne. Friedrichskoog. Noch einmal tief durchatmen, Noch einmal Gas geben. Noch ein Kreisverkehr. Halb 8 und heute mit 1170km auf der Uhr biege ich beim großen Deichgaragenschild ein, ramme dieses Mal nicht den Gartenzaun und drehe den Zündschlüssel auf 0.
Geschafft. Kreis geschlossen!
Vor Freude lege ich mich ins Gras, liege ruhig mit geschlossenen Augen da, während die Sonnenstrahlen mein Gesicht wärmen und atme Seeluft. Wenn jetzt Schnee wäre, könnte man einen Schneeengel machen. So mache ich einen Grasengel und auch das fühlt sich gut an.
Romy kommt raus und wundert sich. AWO da, Bernde weg ? Es folgt ein herzlicher Empfang und nachdem Nick und die anderen aus den Federn geholt sind, gibts lecker Frühstück. Ich stehe Rede und Antwort. Nick überreicht mir den „Pokal für die weiteste Anreise nach Friedrichskoog, die je unternommen wurde“. Einmal mehr bin ich platt. Ich weiß nicht, ob es so rüberkommt angesichts meiner Müdigkeit, aber ich bin wirklich und ehrlich erfreut und gerührt. Es setzt wieder dieses unbeschreibliche Gefühl ein, wie ich es leider sonst kaum woanders, als auf dem Deich empfinde. Auf einmal haben auch alle anderen keinen Bock mehr auf irgendwas anderes als sitzen, chillen, schnacken und die Sonne die Nasenspitzen kitzeln zu lassen. Es folgt ein ganz liebes Telefonat mit Anja. Sie kann es nicht glauben, daß ich schon in Deutschland bin. Weit nach Mittag rappel ich mich hoch um 5m Luftlinie weiter erneut, diesmal aber liegend in die Traumwelt hinabzusteigen. 5 Minuten später werde ich wieder munter, aber es ist schon Abend.
Nick hat Kneipendiens. Es findet ein kleines Open Air Konzert hinter dem Deich statt und Erna braucht ihren Auslauf. Das Wasser ist wie immer weg, aber das stört überhaupt nicht. Das Deichgefühl setzt schlagartig ein und Tolkien kommt mir wieder in den Sinn. Nun würde ich mich eher zu den Hobbits als zu den Elben zählen, obwohl ich keine Haare an den Füßen habe. Trotzdem kann ich dem Elb mitfühlen, der seine erste Möwe schreien hört, nachdem er geweissagt bekam, er solle sich vor dem Schrei der Möwe hüten. Sonst würde er nie mehr Ruhe finden bis er ans Meer zurückkehre und es endlich für immer überquere. Ich könnte Stunden hier verbringen. Beim nochmal durchlesen klingt das alles schon sehr sentimental. Laßt mich doch. Nach so einer Strecke ist das erlaubt !
Technisches:
„Nicht Öffnen“ – Schraube zweimal locker gewesen … festgezogen, Kardan abgeschmiert, Lichtmaschinengehäuse gereinigt ( Wasser – Öl – Gemisch ), Hinterradbremse gereinigt, Öl
Tag 22
20.06.2012 (null km) Friedrichskoog
Ein Tag Urlaub in Friedrichskoog für die AWO und mich. Das können wir uns gut leisten, denn wir haben ja gut rausgearbeitet 😉
Was mir auffiel, als ich hier ankam, war der Geruch der Felder kurz vor der Reife. Das habe ich vermisst. Ich vermisse schnell zunehmend auch meine Familie und bin echt versucht, heim zu fahren. Nachmittags kommt Mario mit seiner „Schönen“ vorbei. Wir fahren noch bis nach Friedrichskoog – Spitze in Nicks „Bier Pinte Achtern Diek“ und chillen draußen vor der Bar bis Feierabend ist. Noch einige Vorbereitungen in der Garage für morgen. Alle sind schon in freudiger Erwartung ob der morgigen Abreise in Richtung Danewitz bei Bernau zum größten AWO und EMW – Treffen in Deutschland. Das sind nochmal ca. 500 km. Ich freue mich auch schon riesig, mal nicht alleine und dann noch in so guter Gesellschaft reisen zu dürfen. Doch erstmal gehts in die Kiste. Gute Nacht!
Tag 23
21.06.2012 (359 km) Start 9:30 Friedrichskoog, Nord-Ostsee-Kanal, Ludwigslust, Havelberg, Sandau an der Elbe
Romy+Nick mit AWOs, Andre und Leo im Auto mit AWO an Board, Mario mit AWO, Bernde mit „old Lady“
Nach Frühstück, Erna in die Ferien schicken und viel Schnack während der Vorbereitungen zum Start, gehts mit fröhlichem Geknatter bei tollem Sonnenwetter los in Richtung Danewitz. Bei ca 70 km/h pendeln wir uns ein, außer am N-O-K. Da wollens alle wissen. Volle Pulle brettern wir die Brücke hinauf , Romy führt das Rudel den Berg hoch an, alle halb liegend mit Kinn voran wegen der besseren Windschnittigkeit :-). Oben gelingt mir während der Fahrt ein ganz tolles Foto von Nick mit seinem metallic – orangenen Glitzerhelm. Andre und Leo fahren mit dem Transporter hinterher und genießen das Schauspiel.
Für Mario und Romy könnten es ruhig 10 km/h mehr sein, da ich aber um Nachsicht gebeten habe, halten wir uns an die 70. Unterwegs wird Ewi eingesammelt. Es folgen ein paar Stops, mal zum tanken, mal zum Schnacken. Ich schmeiß ne Runde Eis. Obwohl Kolonne fahren anders ist ( man muß mehr aufpassen ), genieße ich jeden Kilometer. Die Jungs bobbern voraus und machen ihre Späßchen. Romy entpuppt sich als der weltbeste Gleichmäßigkeitsfahrer in unserer Gruppe. Ihr muß ich nur blind folgen und alles ist gut. Ewi fährt hinter mir und Andre mit dem Transporter schirmt unseren Konvoi nach hinten ab. Kleinere Raucher – und Hinternerholungspausen für unsere „Don Johnsons“ auf ihren Feuerstühlen mit weniger als 1cm Federweg und nur einer Hand breit Polsterung auf dem Sitz müßen natürlich sein. In Havelberg sind alle ziemlich groggy. Flux noch was eingekauft für heute Abend und dann die letzten Kilometer bis Sandau an der Elbe, wo schon die „Little Boom Ranch“ auf uns wartet.
Dort machen wir Rast, um morgen den letzten „Katzensprung“ bis Danewitz zu tun. Abends gibt es lecker Gegrilltes und viel zu erzählen bei einem gediegenen Glas Whisky und Lagerfeuer. Andre und ich teilen die gleiche Leidenschaft für „Fishermans Friend – Mint“ und ich bekomme, weil meine Tüte in der Hosentasche immer so unschön aussieht eine Blechbüchse geschenkt. Obendrauf noch eine herzliche Umarmung mit den Worten: „Mensch ist das toll, daß du das geschafft hast.“ Er ist wirklich eine liebe Seele von Mensch. Das merke ich, obwohl wir uns erst einen Tag kennen. Mario kriegt von mir noch eine „geschmiert“. Schwedisches Brot mit Kaviar mache ich ihm noch zurecht. Keiner soll hungern :-). Unterdessen ist der Whisky alle und wir fallen ins Bett.
Tag 24
22.06.2012 (166 km) Sandau, Danewitz
Langen Nächten folgt meist ein langsames erwachen. So auch bei uns. Gegen 7:30 schälen sich nach und nach alle aus den Federn. Es wartet eine Dusche, belegte Brötchen und frischer Pfefferminztee ausm Jaaten 😉 . Öl auffüllen und los. Heute werde ich die letzte Schnapszahl meiner Reise „überfahren“. Irgendwo im schönen brandenburgischen wird die Zahl 8888.8 km fallen. Die Hühner sind gesattelt. Auf gehts! Good Bye Little Boom Ranch.
Kurz vor dem nächsten Tankstop fällt mein blöder Digitaltacho wieder aus, warum auch immer. Endlich, nach einigem rumprobieren bekomme ich ihn wieder zum laufen. Mittagessen gibt es in einem tollen Holzhaus für sensationell günstiges Geld. Für 38 € inklusive Kaffee, Kola und Eis werden alle satt. Das haut den skandinavische Preise gewohnten Fernreisenden fast um. Das geht auf mich und DANKE, daß wir so eine schöne Fahrt zusammen haben. In Perleberg auf dem Markt spüre ich live den Unterschied von Gruppe zu Einzelfahrer. Da für das Gespann kein Platz mehr bei den anderen ist, stelle ich mich an den Rand etwas abseits. Während Mario zur Apotheke flitzt, bekommen die anderen „wilden Jugendlichen mit ihren lauten Moppeds“ leicht verwirrte Blicke. Währenddessen spricht mich aber gleich ein älterer Herr an, daß ich mit seinem Jugendtraum unterwegs wäre. Die Klangkulisse bei unserer Abfahrt vom Markt ist (zumindestens für uns) auf jeden Fall erinnernswert.
Auf einem schick gepflasterten Marktplatz kurz vor Eberswalde darf Andre´s blau gelbe Grasbahn – AWO ans Licht. Ab hier also per Achse. Mit zweieinhalb Litern Tankinhalt ist mindestens noch ein Halt zum auffüllen nötig. Alle sind gespannt. Ein Kick und das Unikum mit Crosspelle und Springergabel erwacht zum Leben. Mindestens einer hier auf dem Platz ist high vom Sound, der Optik dem Sonnenlicht, dem Gedanken „alle zusammen hier“ oder allem auf einmal. Ein Gruppenfoto noch schnell und weiter gehts. Keiner macht mehr Sperenzchen. Ich habe den Eindruck, alle fiebern Danewitz entgegen.
Gegen nachmittag endet die Etappe mit der ersehnten Einfahrt in Danewitz. Die Begrüßung erhält die Prädikate „besonders wertvoll“ und „Balsam für die Seele“! Stellvertretend für die vielen von Freude und Anerkennung gezeichneten Gesichter ist mir besonders das Gesicht von Peter dem „Eisbär“ in Erinnerung geblieben, als er mit Romy und mir am Bierwagen steht. Er ist absolut selig und genau wie wir tiefenentspannt und muß all seine Kraft zusammen nehmen, um weiter filmen zu gehen und nicht für immer bei uns stehen zu bleiben. Die nächsten Stunden sind Genuß pur für meine weitgereiste Seele und das merkt man mir glaube ich auch an. Rene´ ist total hin und weg, daß wirs geschafft haben und erzählt mir so nebenbei, daß er meinen Antriebsstrang für „Forschungszwecke“ an sich nimmt und kostenlos regeneriert. Dieses Angebot haut mich ehrlich aus den Socken! So viele Kilometer bei einer derartigen Belastung in so kurzer Zeit hat noch keiner mit einem von ihm regenerierten Motor gefahren.
Viele interessante Gespräche später sitzen wir am Feuer und die Stunden vergehen wie Minuten. Es gibt noch ein ganz tolles Foto von Fränki, Romy, Rene´ und Wroebe. Romy bekommt Stereobeschallung. Fränki von links und die beiden anderen diskutieren immer lauter von rechts. Sie werden wohl noch Freunde werden 😉 . Der kleine Trinkwettbewerb, den der zwei meter Mopedprinz und die „kleine“ OmiK.rdan vom Zaun gebrochen haben endet sehr spät mit einem erstklassigen Unentschieden. Als der Morgen graut, bette ich mich ( wie schon fast Tradition in Danewitz ) irgendwo auf einer Bank zur Ruhe.
Tag 25
23.06.2012 Danewitz, Zoblitz
Nach einem Stündchen Schlaf werde ich sanft von den Erzählungen der Danewitzer „Wurstschnibbler“ geweckt. Raus aus den Federn! Langsam kommt Leben auf den Platz. Bei einem solchen Wetter werden heute sicher viele Gäste und Tagesbesucher mit ihren AWOs und EMWs kommen. Nach dem verregneten vorigen Jahr wünsche ich es dem Organisationsteam, daß sich immer mit soviel Herzblut in der Sache engagiert und so eine tolle Feier auf die Beine stellt. Lecker Frühstück gibts von der Danewitzer Feuerwehr die ( bis auf die Gurken 🙂 ) preiswert und sehr freundlich zu uns sind. Der Tag ist erfüllt von Motorräder gucken, erzählen, ausruhen, Benzingespräche, wieder ausruhen und einfach mit Bekannten und neu kennengelernten Leuten ungezwungen Spaß haben. Ab und zu kommt einer zu mir, fragt mich aus und drückt seine Hochachtung vor „unserer Leistung“ aus. Ich bin freudig überrascht und gerührt, wieviele Leute doch mitgefiebert haben, damit die Reise gut geht.